„La isla miníma – Mörderland“ von Alberto Rodríguez



Von Anfang an gelingt es Rodríguez, ein einheitliches und äußerst suggestives Bild zu generieren, das die klimatische Besonderheit der gewählten Region fast körperlich spürbar macht. Durch Hitze und Luftfeuchtigkeit, die sie aus Madrid nicht gewohnt sind, erlahmt, bewegen sich Juan (Javier Gutiérrez) und Pedro (Raúl Arévalo) nur schleppend durch die Gegend und sind mundfaul. Juan überbrückt seine weitgehend schlaflosen Nächte und seine schmerzliche Blasenentzündung mit Alkohol, Pedro sehnt sich nach Madrid zurück, wo seine schwangere Frau auf ihn wartet. Der eine verkörpert den jungen Polizeischuleabsolventen mit dem Ideal der angehenden Demokratie im Kopf und der andere ein Überbleibsel des alten Systems. Diese Konstellation bringt nicht nur den Fluss der Erzählung voran, sie ist auch überzeugend der damaligen Realität nachempfunden. Eine große Anzahl an Mitglieder des Militärstabs Francos fand nahtlos Einzug in die spätere Polizei.

In der Ästhetik eines Film noir, mit dunstiger Atmosphäre, matten Farben und einer sparsamen Beleuchtung gehalten, erinnert „La isla miníma“ formal, aber auch inhaltlich, sehr an „Memories of Murder“ (2003) des Südkoreaners Joon-ho Bong („Mother„, 2009, „Snowpiercer„, 2013), in dem es ebenfalls um eine Mordserie an jungen Frauen in einem ländlichen, sumpfigen Gebiet geht, die von einem Ermittler aus der Großstadt untersucht werden soll. In beiden Filmen stehen sich des weiteren ungleiche Ermittlerpaare gegenüber, die ihre gegenseitige Antipathie kaum verbergen, sich aber schließlich für die Sache kurzzeitig auf einander einlassen, auch wenn sie andere Vorstellungen der zu verwendenden Mittel haben. Der Zuschauer lauert, ob die Geschichte nicht doch schmutzige Details aus der Vergangenheit der beiden ans Licht spült. Eine weitere filmische Parallele zeigt sich in Werner Herzogs Neuinterpretation des „Bad Lieutenant“ (2009).

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Der Film funktioniert sowohl als entschleunigter, aber trotzdem spannender Krimi genau wie auch als gelungenes Gesellschaftsbild. Rodríguez interessiert sich, wie im beeindruckenden Jugenddrama „7 Jungfrauen„, für eine spanische untere Mittelschicht und insbesondere für eine junge Generation, die beispielsweise in den 1980er Jahren – wobei er eine Brücke zur aktuellen Situation schlägt – auf dem Arbeitsmarkt nur wenig Chancen kannte und in der Auswanderung die einzige Perspektive sah – zumindest vom Süden des Landes Richtung Norden. Genau letzteren Gegensatz zwischen Nord- und Südspanien sowie Stadt und Land greift der Autor ebenfalls geschickt auf.

Getragen wird der Film von zwei charismatischen Hauptdarstellern, die das spanische Kino bereits im Falle von Raúl Arévalo aus Almodovars „Fliegende Liebende“ (2013) kennt. Javier Gutiérrez seinerseits ist insbesondere in zahlreichen Fernsehproduktionen vertreten und wird im neuen Film von Iciar Bollaín („Und dann der Regen„, 2010) „El Olivo“ (ab 25. August 2016) eine der Hauptrollen spielen.

Teresa Vena

La isla miníma – Mörderland„, Regie: Alberto Rodríguez, Darsteller: Raúl Arévalo, Javier Gutiérrez, Antonio de la Torre, Nerea Barros, Jesús Castro, Mercedes León, Adelfa Calvo, Manolo Solo, Kinostart: 4. August 2016

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