MATTHIAS & MAXIME von Xavier Dolan


MATTHIAS & MAXIME © Pro Fun Media

Freundschaftsverwirrung

Wie scharf ist die Trennlinie zwischen freundschaftlicher Vertrautheit und amouröser Intimität? Wer alkoholinduzierte Freundschaftsliebesbekundungen schon einmal beobachtet oder ihnen aktiv beigewohnt hat, die oder der weiß um die Schwammigkeit dieser Begriffe. Xavier Dolan hat nun mit 31 Jahren aus diesem Thema seine achte Regiearbeit gemacht (man muss das irgendwie immer dazu sagen; es bleibt beachtlich).

Matthias (Gabriel D’Almeida Freitas) und Maxime (Xavier Dolan) sind beste Freunde, von Kindheitsbeinen an. Bedingungslos und trotz ihrer Differenzen. Denn Matthias wächst wohlhabend und wohlbehütet auf,  ist Anwalt kurz vor der Beförderung und hat eine schöne Freundin; Maxime hält sich mit Barkeeper-Jobs über Wasser und kümmert sich um seine alkoholabhängige Mutter, deren Vormund er ist. Was sie eint, wie fast alle Dolan-Figuren: Das zwiespältige Verhältnis zu ihren Müttern, der Wunsch, der ewigen Bevormundung und Kontrolle entfliehen zu wollen und dennoch einfach nur geliebt zu werden. Und noch etwas: Die Abwesenheit der Väter. Aber alles soll sich ändern, denn Maxime will nach Australien auswandern, in der Hoffnung, dort irgendwie neu anzufangen. Vorher ein großes Saufgelage mit der alten Schulgang, bei der sich die besten Freunde nichtsahnend verpflichten, bei einem Filmprojekt mitzumachen. Der Clou, wie sie plötzlich erfahren: Die Szene, die sie spielen sollen, ist ein Kuss.

Nach dem Kuss – den Dolan nicht zeigt, was eine schöne Idee ist, weil das Nicht-Zeigen alles elektrisch auflädt – ist nichts mehr wie zuvor. Matthias ist aggressiv, launisch und hinterfragt seine Karriere, meidet Maxime und beobachtet ihn heimlich mit liebevollem Blick. Für Maxime löst der Kuss hingegen eine bewusstere Identitätssuche aus.  Er konfrontiert die Mutter, flirtet zum ersten Mal mit einem fremden Mann.

Es sind ungemein leise Töne, die Dolan mit MATTHIAS & MAXIME anschlägt, fast unerwartete. Neben seinem letzten Film (dem Biopic-Flop JOHN DONOVAN über den tragischen Tod eines ehemaligen Kinderstars) wirkt MATTHIAS & MAXIME, als würde Dolan bewusst niedrig stapeln, indem er eine fast schon klassische Fast-Liebes- und Freundschaftsgeschichte und Gefühlsverwirrung erzählt, die auch farblich eher gedeckt gehalten ist. Eine zugegeben etwas konstruierte (Überraschung, ihr sollt euch küssen!) Geschichte, auf die man sich schon einlassen muss, um dem Film zu folgen.

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