„New York – Die Welt vor deinen Füssen“ von Jeremy Workman


Einfach mal loslaufen… dachte sich Matt Green! Zu bewundern in „New York – Die Welt vor Deinen Füßen“. Foto: Michael Berman

Gelebte Kalendersprüche

„Der Weg ist das Ziel“,
„Es sind die kleinen Dinge im Leben, die zählen“,
„Lebe den Moment“,
… immer wieder lesen wir diese und ähnliche Zitate in den sozialen Medien, wahlweise auf dem Bild eines Sonnenuntergangs am Strand, eines Berggipfels mit Blick ins Tal oder eines verschlungenen Weges in einen dichten Wald. Diese Kalendersprüche sind meist zu Floskeln verkommen, die wir benutzen um andere und uns selbst zu trösten ohne sie wirklich ernst zu meinen. Wer liest heutzutage solche Sprüche und handelt wirklich über einen längeren Zeitraum danach?
Matt Green hat den Weg zu seinem Ziel gemacht und lebt dabei den Moment in dem er auf die kleinen Dinge achtet. Ihm dabei zuzuschauen haucht leeren Worthülsen wieder Leben ein.

Mit Mitte zwanzig lief Matts Leben nach dem klassischen Plan vieler Menschen. Er hatte einen guten Job als Ingenieur, eine Wohnung und war verlobt. Die Hochzeitseinladungen waren bereits versendet. Doch dann wurde ihm klar, dass er so nicht leben mochte. Er kündigte seinen Job, verließ seine Verlobte, verschenkte den Großteil seines Besitzes, kündigte seine Wohnung und lief los. Zunächst lief er einmal quer durch die USA, von New York bis hin zur Westküste. Auf dieser Reise fand er Geschmack am Laufen.
Aber zuhause ist es doch immer noch am Schönsten! Außerdem hält man sich in seiner Heimatstadt viel zu oft in den immer selben Bezirken und Straßen auf, oft ohne selbst diese wirklich gut zu kennen. Matt beschloss also seine Wahlheimat New York zu durchlaufen. Und zwar jede einzelne Straße in jedem der fünf Bezirke, jeden Park, jeden Strand, jeden Friedhof. Dabei achtet er zunehmend auf die kleinen Dinge, die ihm begegnen, spricht mit den Menschen, die ihm über den Weg laufen, macht Fotos. Straßenschilder und Infotafeln fallen ihm ins Auge und so beginnt er auch immer mehr über die Straßen, durch die er läuft zu recherchieren. Mit der Zeit fallen ihm Muster auf. Er fotografiert zu Kirchen umfunktionierte ehemalige Synagogen, Friseurläden mit einem „Z“ statt einem „S“ im Namen, manche gehen sogar soweit auch das „C“ in „Cuts“ durch ein „K“ zu ersetzten. Auch Blumen, Bäume, Obst und Gemüse hält Matt mit seiner Kamera fest. Ausgeraubt oder tätlich angegriffen wurde er dabei nie. Die Nächte verbringt Green bei Freunden oder er sittet vor allem Katzen, aber auch den ein oder anderen Hund. Für alle anderen Dinge braucht er 15 Dollar pro Tag.
Ein konkretes Ziel, außer einmal durch alle Straßen New Yorks gegangen zu sein, hat er nicht. Er will weder ein Buch schreiben, noch will er Spenden sammeln oder irgendeine Publicity. Das erlebte hält er in einem Blog fest, der nur eine Hand voll Leser hat.

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