„Orania“ von Tobias Lindner


„Die Arbeit des schwarzen Mannes hat dafür gesorgt, dass er überall eingedrungen ist, wo der Weiße ist“, resümiert beispielsweise ein älterer Herr. Die „Schwarzen“ sind darum in Orania nicht willkommen. Sie könnten dem weißen Mann ja etwas wegnehmen. Die verquaste Logik dahinter: Je mehr von ihnen in den Betrieben, die im Besitz von Weißen sind, arbeiten, je mehr keimt  in ihnen das Bewusstsein auf, dass sie es sind, die die (wirtschaftlichen) Werte erschaffen. Kommunisten wären in Orania demzufolge ebenso unerwünscht. Darum muss der weiße Mann selbst, zwangsläufig höchstfreiwillig, auf den Feldern stehen, in den Kaufläden arbeiten, beim örtlichen Transportunternehmen auf Kundschaft warten oder im verwaisten Schwimmbad die Fliesen putzen.

Carel Boshoff ist einer von ihnen und auf ihn geht die Gründung dieser Gemeinde zurück, die, entgegen der Auffassung ihrer Einwohner, keine offizielle Kommune ist, sondern Privatland, welches heute von einer Aktiengesellschaft verwaltet wird. Viel Platz für Andersdenkende ist in dieser Gemeinschaft darum nicht. Ein junges Pärchen denkt kurz über die anderen dort hinterm Zaun nach, die man ja mal kennenlernen könnte, so offen ist man immerhin. Der Weg ist dann aber doch zu weit und außerdem: „Gute Zäune machen gute Nachbarn.“ Rassist will in diesem Ort niemand sein. Nein, das örtliche Busunternehmen steht doch jedem Fahrgast offen! Vielmehr noch, jedes Gemeindemitglied ist dazu eingeladen, mitzufahren. „Volksfremde“ müssen sich allerdings an Regeln halten.

Orania, das vermittelt Lindners Dokumentarfilm sehr eindrücklich, ist eine weiße Hölle, in der sich Menschen eingefunden haben, die sich als ausgegrenzte und unterdrückte Minderheit empfinden und die dementsprechend ihre Weltsicht zementieren. Dass aktives und passives Handeln von wertkonservativen Gruppierungen betont bewusst vertauscht werden, der Ausgrenzende also als Diskriminierter auftritt, ist hier herrlich anzuschauen. Der Andere ist man jedoch immer erst einmal selbst.

Martin Daßinnies

Orania Regie: Tobias Lindner, Montage: Melanie Schütze, Kinostart 13. Juni 2013

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