„Run All Night“ von Jaume Collet-Serra



In „Run All Night“ hetzt Regisseur Jaume Collet-Serra („Unknown„, „Non-Stop„) Liam Neeson bereits zum dritten Mal durch einen seiner Thriller. Nur zu Beginn und am Ende erspähen Zuschauer ein wenig Tageslicht, den Rest der beinahe zwei Stunden verbringen Neeson, Ed Harris und Co in den düsteren Ecken New Yorks, die in dieser dunklen Regennacht noch finsterer daherkommen. Sie geben ein geradezu archetypisches Szenario für einen Thriller ab.

Überhaupt bedient sich Collet-Serra vieler Genre-Stereotypen und klassischer Motive: Der (Ex-)Killer mit gestörtem Familienleben, Söhne, die nicht mit ihren Vätern können und alte Gangster-Kumpels, bei denen ein Ehrenwort unter Männern noch gilt. Collet-Serra nutzt diese bewährten Bilder, um gekonnt mit dem Genre zu spielen anstatt mit Redundanzen zu langweilen.

Wen sich „Run All Night“ als Publikum wünscht, zeigt der Actionthriller mit jeder Szene: It’s A Man’s Man’s World! Ebenfalls nicht Genre untypisch, spielen Frauen in „Run All Night“ keine Rolle. In dieser maskulinen Welt treffen Kerle auf Kerle. Der härteste von ihnen ist Liam Neeson – und der ballert und prügelt sich trotz seiner bald 63 Jahre gekonnt und halbwegs glaubwürdig durch dieses dunkle New York.
Immer wieder überraschend, wie der Mann, der einst für Spielberg (oscarprämiert) den Oskar Schindler in „Schindlers Liste“ (1993) gab und sich anschließend mit Werken wie „Nell„, „Rob Roy“ oder „Michael Collins“ als Charakterdarsteller etablierte, mit zunehmendem Alter mehr und mehr ins Actionfach (z.B. in der „96 Hours„-Trilogie) wechselte. Der Erfolg gibt ihm Recht.

Auch „Run All Night“ überzeugt durch Spannung und liefert unterm Strich solides Handwerk. Allerdings hätte der Film von einem konsequenteren Schnitt profitiert. Es finden sich einige Handlungsfetzen, die auf einen unausgegorenen Produktionsprozess schließen lassen. Jimmy muss im Angesicht des nahenden Todes seine im Sterben liegende Mutter im Krankenhaus besuchen und als Jimmys Bruder taucht unvermittelt Nick Nolte auf. Dessen Part fiel offensichtlich einem so radikalen Schnitt zum Opfer, dass Nolte nicht mal in den Credits genannt werden wollte.

Denis Demmerle

Run All Night„, Regie: Jaume Collet-Serra, DarstellerInnen: Liam Neeson, Ed Harris, Joel Kinnaman, Genesis Rodriguez, Vincent D’Onofrio, Boyd Holbrook u.a, Kinostart: 16. April 2015

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