„Snowden“ von Oliver Stone
Der Mann hinter den Enthüllungen
„Geheimhaltung ist Sicherheit. Sicherheit bedeutet Sieg“ heißt es an einer Stelle im Film. Oliver Stone ist sich sicher, dass die Schutzbekenntnisse der Regierungsbehörden, im Sinne der „gebt uns eure Unterstützung und wir sorgen für eure Sicherheit“-Verlautbarungen mehr mit den Worten, die in Deutschland in den 30er Jahren schon einmal gesagt wurden, zu tun haben, als manchem lieb ist. Barack Obama „hat ein Überwachungssystem geschaffen, das weit über das hinausgeht, was im kalten Krieg später die Stasi in Ostdeutschland machte.“, so Oliver Stone weiter auf der Pressekonferenz in San Sebastian zu seinem neuen Film „Snowden“ und den Ereignissen und Erkenntnisse um den Whistleblower Edward Snowden.
Vor 30 Jahren blickte der Vietnamveteran mit seinem Antikriegsdrama „Platoon“ zurück in die Kriegshölle Vietnam und gewann damit seinen bereits zweiten von drei Oscars. Ihm folgten politisch kontroverse Filme wie „Geboren am 4. Juli“ (dritter Oscar), „Wall Street“, „Nixon“ oder „Natural Born Killers“. Stone liebt die großen und schmutzigen, menschlichen Themen, die die nach Verschwörung und Heuchelei riechen und die er ganz im Sinne eines cineastischen Enhüllungsreporters immer wieder freizulegen versucht. Entsprechend oft zogen etliche seiner Filme unzählige öffentliche Debatten nach sich.
Ähnlich hoch waren also die Erwartungen an „Snowden„, von dem sich viele ebenso ambivalente wie unbekannte und erhellende Einsichten in die Causa Snowden erhofften, wie zuletzt vielleicht die Fakten in seinem vor über zwei Jahrzehnten enstandenen Film „JFK – Tatort in Dallas“ über die Leinwand rollten. Doch der inzwischen 70-Jährige entscheidet sich ausgerechnet bei dem so brisanten Stoff um den ehemaligen NSA- und CIA-Mitarbeiter Edward Snowden für das eher leicht konsumierbare und gefühlsbetonte Drama und zeigt einen Regisseur, dem ein bisschen der Schneid für politisch brisante Themen verloren gegangen zu sein scheint.
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Stone nimmt den Faden da auf, wo er auch schon in der Dokumentation „Citizenfour“ von Laura Poitras begann, Anfang Juni 2013 in einer mit dem Hotel Mira in Hongkong verbundenen Shopping Mall, wo sich Snowden, Dokumentarfilmerin Poitras und der Journalist Greenwald erstmals begegnen. Als Erkennungszeichen diente damals ein Zauberürfel. Kurz darauf folgen Flashbacks, die Ed Snowdens Geheimdienstkarriere nachzeichnen, angefangen bei der Spezialeinheit der Reserveeinheit bis hin zu seinen Aufgaben als IT-Experte der CIA und bei Dell angestellter NSA-Vertragsarbeiter und schließlich seiner Tätigkeit bei Booz Allen Hamilton, wohin der damals 29-Jährige absichtlich gewechselt war, um wie er der South China Morning Post gegenüber erklärte, zusätzlichen Zugang zu Top-Secret Dokumenten zu erhalten, die später an die Öffentlichkeit gelangen sollten.
Immer wieder springt Stone zwischen den Ereignissen im Sommer 2013 und der Vergangenheit Snowdens vor und zurück. Der Film versteht sich, wie es der Titel bereits verrät, als Porträt und Spurensuche nach dem Mann hinter den Enthüllungen und will seine Herkunft, Motivation und Beziehungen beleuchten. Joseph Gordon-Levitt („The Walk“, „Inception“) ist es zu verdanken, dass der scheue Mann, dessen Wesen oft mit dem eines Roboters verglichen wird, ein Gesicht erhält, und teils in Körpersprache und Stimme dem echten Snowden fast zum Wechseln ähnelt. Neben Gordon-Levitt ist es besonders seine Freundin Lindsay Mills, gespielt von Shailene Woodley („Das Schicksal ist ein mieser Verräter“), die im Fokus steht. Die Performancekünstlerin, so ist der Filmemacher überzeugt, sei es schließlich auch gewesen, die Snowden überhaupt erst zu dem Mann gemacht hätte, der er heute ist. Doch die Chemie zwischen den beiden Schauspielern läuft in vielen Sequenzen nicht so recht rund. Immer wieder stolpert der Zuschauer über steife Dialoge und künstlich inszenierte Momente der Leichtigkeit und gewinnt den Eindruck als fühlte sich besonders Schailene Woodley nicht sehr wohl in ihrer Haut.