„Snowden“ von Oliver Stone



Überaus großen Wert legt Oliver Stone in seinem aktuellen und nunmehr 20. Spielfilm darauf, dem Zuschauer ein äußerst menschliches Bild Edward Snowdens zu zeigen. Dabei verliert sich der dreifache Oscargewinner aber immer wieder in gefühlsschwangerem und teils überbordendem Pathos, schwelgerischen und überdramatisierten Klängen und den so typisch amerikanischen Applausarien, was Snowden beinahe einen göttlichen Anstrich verleiht. Ganz offensichtlich ist Oliver Stone voller Bewunderung für den weitsichtigen jungen Mann, der für seine Ideale alles aufgab, und versucht ihm in seinem Film ein Denkmal zu setzen, auch wenn er wiederholt erklärte, dass er lediglich seine Geschichte erzählen und von den Erkenntnissen, die er lieferte, berichten wollte. In Ansätzen werden dabei dem Zuschauer auch noch einmal die so dringend notwendigen Beispiele für die Dimension der Konsquenzen eines Überwachungsstaates vor Augen geführt, deren Tragweite bis heute noch immer nur sehr wenige begriffen haben. Geradezu erlösend klingt es, wenn Snowden im Film wutentbrannt auf den Satz seiner Freundin „Ich habe nichts zu verbergen.“ mit den Worten reagiert: „Oh man, das ist so ein unglaublich dummer Satz. Jeder hat etwas zu verbergen.“

Basierend auf den Büchern „The Snowden Files: The Inside Story of the World’s Most Wanted Man“ des britischen Guardianjournalisten Luke Harding und auf dem Politthriller „Die Zeiten des Kraken“ des Snowden Anwalts Anatoli Kutscherena, entwickelten Oliver Stone und Kieran Fitzgerald gemeinsam das Drehbuch zum Film. Zudem reisten Regisseur und Ko-Drehbuchautor neunmal nach Moskau, um mit Snowden in 1:1 Treffen am Skript zu arbeiten, das aus Gründen des Quellenschutzes auch stets durch Verschlüsselungstechniken vor externen Zugriffen gesichert war, wie Stone ebenfalls in der Pressekonferenz erklärte. Auch der Drehort München, als Hauptdrehort für den Film, soll aus den gleichen Sicherheitsgründen ausgewählt worden sein. Zu groß waren die Risiken bei ständigen Reisen – ähnlich wie es Dokumentarfilmerin Poitras immer wieder erging – von den Behörden kontrolliert zu werden, die es auf Telefonlisten und Festplattenkopien abgesehen hatten.

Bei allem Pathos und emotionalen Drama, das Stone in seinem Film verarbeitet, ist „Snowden“ aber dennoch eine Wegmarke und wird vielleicht anders als Laura Poitras es mit ihrem historischen Dokument „Citizenfour“ vermochte, ein breiteres Publikum erreichen. Nach dem Film werden vielleicht mehr Handy- oder Computerkameras abgeklebt sein, möglicherweise auch mal einer einen Blick in seine Google-Search-History oder auf die von Google gespeicherten persönlichen Daten unter dem google.com/dashbord werfen, nach WhatsApp- oder Skype-Alternativen suchen oder sich in Verschlüsselungstechniken einlesen. Der in Moskau gestrandete Edward Snowden soll derweil bereits, wie der Spiegel Online berichtet, mit einem US-Hacker an einem Anti-Spionage Werkzeug arbeiten, einer Handyhülle, die ihre Besitzer darüber informiert, wenn von ihren Geräten heimlich Daten gefunkt werden. Spätestens wenn eine solche Handyhülle auf dem Markt ist, geht die Debatte um private Daten in eine neue Runde.

SuT

Snowden„, Regie: Oliver Stone, DarstellerInnen: Joseph Gordon-Levitt, Shailene Woodley, Nicholas Cage, Melissa Leo, Zachary Quinto, Rhys Ifans, Kinostart: 22. September 2016

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