„The Overnighters“ von Jesse Moss – Unknown Pleasures 2015


Jesse Moss gewann mit "The Overnighters" in Sundance den Spezialpreis der Jury. Foto: Unkwown Pleasures 2015

Jesse Moss gewann mit „The Overnighters“ in Sundance den Spezialpreis der Jury. Foto: Unkwown Pleasures 2015

Nächstenliebe hat ihre Grenzen

Täglich kommen neue arbeitslose Männer in der Kleinstadt Williston in North Dakota an und möchten bei der lokalen Ölfirma Arbeit finden. Sie stammen aus dem ganzen Land, haben vielfach ihr letztes Geld für die Reise zusammengekratzt, um in der Fremde Teil eines florierenden Industriezweigs zu werden. Willinston ist auf die Massen an Männern nicht vorbereitet, so dass längst nicht für alle erschwingliche Unterkünfte zur Verfügung stehen. Die einen, die einen Wagen besitzen, müssen darin übernachten, ein Großteil der anderen findet in der Concordia Lutherian Church bei Pastor Reinke Unterschlupf. Auf dem Fußboden der Kirche und in den Gemeinderäumen nächtigen Männer zwischen 18 und 60 Jahren Seite an Seite. Die Kirche fungiert zudem als Anlaufstelle für diese vielfach psychisch schwer belasteten Männer. Viele kämpfen mit ihrer Überschuldung, andere sind von Drogen- oder Alkoholsucht gezeichnet oder haben eine kriminelle Vergangenheit.

Pastor Reinke steht den Betroffenen als Gastgeber und Seelsorger zur Seite. Er setzt sich bei der Gemeindeverwaltung für mehr Toleranz gegenüber den Fremden ein und versucht, die Konflikte mit den Einwohnern zu schlichten. Die Kirchengemeinde nimmt die Zuzügler als Eindringlinge war, die ihre Kirche besetzen. Im Gespräch mit dem Pastor zeigen sich Gemeindemitglieder empört über den angeblichen Mangel an Dankbarkeit der „Übernachter“, die keinen Respekt vor den Gottesdiensten zeigen und sich unsittlich verhalten würden. Die Abneigung gegenüber diesen Fremden beschränkt sich nicht nur auf die Kirchengänger, sondern weitet sich auf die ganze Stadt aus. Reißerische Artikel erscheinen in der lokalen Presse, die diese Männer für die Zunahme von Diebstählen oder sexuellen Übergriffen verantwortlich machen. Pastor Reinke möchte als Schlichter zwischen den Parteien handeln, doch schwindet der anfängliche Respekt, den ihm die Gemeinde entgegenbringt, zunehmend und schwingt in offene Anfeindung um, als herauskommt, dass er in vollem Bewusstsein ehemalige Sexualstraftäter unter den Männern toleriert. Bald gerät die Familie des Pastors unter medialen Beschuss und es stellt sich heraus, dass es um die moralische Integrität des Pastors selbst nicht gut bestellt ist, da er Ehebruch beging.

1 2