Festivalbericht: British Shorts 2012
Festivalbericht 2012: Kurzweilig – kurzatmig - Kurzfilm
5 Tage, 111 Filme, 4 Konzerte, 2 Preisverleihungen und ein Workshop. Schon beim ersten Blick ins Programmheft muss man bei einer derartigen Auswahl und Dichte an Vorführungen und Events ein bisschen schlucken und wie sich später herausstellen wird, ist die Programmvielfalt von British Shorts keineswegs geprahlt. Stattdessen stellt sich bereits nach einigen Tagen ein Gefühl der Atemlosigkeit ein, während der Kopf am Ende des Festivals aufgrund der vielen Infos und Eindrücke zu platzen droht.
Das Festival legt einen guten Start hin, als am Donnerstag das HBC seine Tore für anglophile Kurzfilmliebhaber öffnet. Nobel geht es hier zu, denn im Vorraum laden Ledersofas zum gediegenen Plausch bei Wein und Zigarette ein. Wer es besonders dekadent mag, kann an der Bar Austern schlürfen. Als die Vorführung beginnt, nimmt man dann auf nicht ganz so eleganten Klappstühlen Platz und besonders in den hinteren Reihen muss man sich wohl mit nur 50 Prozent Sicht auf die Leinwand begnügen. Umso mehr wird jedoch hier bereits deutlich, dass sich in dem ausverkauften Saal jede Menge Briten tummeln, was sich im Laufe des Festivals übrigens so fortsetzen wird. Es verwundert daher auch nicht, dass sämtliche Anmoderationen auf Englisch erfolgen und die Filme beinah komplett ohne Untertitel auskommen, schließlich ist dies hier ein britisches Kurzfilmfestival. Das erste Screening trumpft direkt mit einer Filmikone von der Insel auf, als Judi Dench, die seit Mitte der 90er Jahre unter anderem die Rolle der resoluten Arbeitgeberin von 007 innehat, hier als Rentnerin Dating via Social Networks für sich entdeckt und wie ein unsicherer Teenager daherkommt. Der Film „Friend Request Pending“ (Chris Foggin) zeigt deutlich, dass auch die Silver Surfer Plattformen wie Facebook immer mehr abgewinnen können und das LOL nicht etwa – wie von der Protagonistin angenommen – Lots of Love bedeutet, sondern viel mehr die Publikumsreaktion im HBC abbildet. Ebenfalls nicht ganz unbekannt, aber mit einem weitaus trockeneren Humor tritt in Douglas Harts „Long Distance Information“ Peter Mullen in Erscheinung, der bereits im letzten Jahr in „Tyrannosaur“ als Choleriker in seiner Wohngegend rumrandalierte, hier nun aber völlig entspannt und lethargisch in seinem Sessel hockt und sogar fast zu faul ist, an Weihnachten ein Telefongespräch mit seinem Sohn anzunehmen.
Erst am Ende des Films und einem zehnminütigen Phrasenaustausch am Telefon zeigt sein bisher regungsloses Gesicht plötzlich Anzeichen von Konfusion und Schock, denn schließlich ist es mehr als peinlich, wenn der Mensch am anderen Ende der Leitung gar nicht der eigene Sohn ist, sondern sich offenkundig verwählt hat und es beide erst dann merken. Immer noch komisch, aber wesentlich düsterer und sarkastischer präsentiert sich der daran anschließende Animationsfilm „Moxie“ von Stephen Irwin, der eine Woche im Leben eines pyromanischen Psychobärs mit extremem Mutterkomplex porträtiert. Nach Ablauf der sieben Tage kommt er schließlich zu der nihilistischen Erkenntnis, dass das Leben ohne seine Bärenmutti völlig sinnlos ist und entscheidet sich daher lieber für den freiwilligen Abtritt. Zuletzt versetzt das HBC-Screening seine Zuschauerschaft noch mit „Disco“ (Luke Snellin) in die eigenen Anfänge der Teenager-Zeit und zurück in die 90er Jahre, als die Mädchen in der eigenen Klasse noch den Inbegriff der tiefsten und unbewusstesten Sehnsüchte bedeuteten, die Schuldisko das ultimative Jahreshighlight war und hier zu Hits wie „Beautiful Ones“ von Suede getanzt wurde. Trotz schlechten Sichtverhältnissen bot der Abend also einen guten Überblick über die Genre und Filme, die noch kommen sollten.