Rückblick auf das Fantasy Filmfest 2012

Rückblick auf das Fantasy Filmfest 2012: Drei Blickwinkel


"Beast": Liebe verzehrt den Menschen, Foto: Fantasy Filmfest

"Beast": Liebe verzehrt den Menschen, Foto: Fantasy Filmfest

Es ist schön, diese Grüppchen zu beobachten, wie sie literweise Cola und Popcorn in den Kinosaal schleppen, den Hamburger noch schnell runter schlingen, oder ihr Butterbrot aus der Tasche ziehen, sobald das Licht im Saal erlischt. Es ist schön, nicht zu diesen Gruppen zu gehören. Das ist nicht diskreditierend gemeint. Nein, es ist gut, nicht dazu zu gehören, weil es um so mehr Spaß macht, ihnen zu zuschauen. Es macht gelungene Filme um so besser. Manch kluges Wort kommt aus der vorderen Reihe. Es macht schlechte Filme erträglicher, weil Gespräche für Unbeteiligte nicht selten hohen Unterhaltungswert besitzen. Beispiel: Ein bärtiger Mittdreißiger, ganz in Schwarz, zum Sitznachbarn: „Ich habe gestern Resi getroffen. Die schauen sich keine amerikanischen Filme an“. Sitznachbar darauf verdutzt: „Krass. Warum das nich?“ Bärtiger: „Aus Prinzip“. Sitznachbar: „Weiß nich, ob ich das so machen würde. Aber es ist konsequent.“ Bärtiger: „Das ist es. Also im Prinzip verstehe ich das ja. Es gibt viel Schlechtes aus den USA.“ Sitznachbar: „Ich finde das dumm.“ Licht aus. Der Film beginnt.

Seung-wook Byeon stellt in „The Cat“ seiner Protagonistin eine schneeweiße Katze an die Seite. Und packt dazu einen Geist. Ein kleines Kind mit schwarz umrandeten, gelblichternden Augen, das, getrieben von einem Geheimnis, zahlreiche Leben auslöschen muss. Fast am Ende des Films angelangt, offenbart der Regisseur, dass Katze, Geist, demenzkranke, verschwitzte alte Frau und verschweißter Keller zu einem Rätsel gehören, das in „Ringu„-Manier gerade entschlüsselt wurde. Er lässt allerdings offen, warum das Geisterkind nun unbedingt töten muss. Film aus. Licht an. Wurde irgendwer im Saal gerade zu Recht mit diesem Film bestraft? Denke man an das vorangegangen Gespräch, lässt sich ein Schmunzeln nicht vermeiden.

Enttäuschend ist auch „A Gang Story“ vom Franzosen Olivier Marchal. Erzählt wird eine episch angelegte Gangsterlaufbahn zweier Freunde, die sich von Kindesbein an kennen, als Jugendliche gemeinsam Banken überfallen, eine Gang aufbauen und sich dann aus den Augen verlieren. Als dann aber doch einer der beiden verhaftet wird, entscheidet sich ihre Freundschaft ein einem recht gewöhnlichen Aspekt: Wie sehr kann man einander trauen? „A Gang Story“ erzählt seine Geschichte mit viel Pathos, wenig intelligent und gibt sich mit skizzenhaften Figuren zufrieden. Er lässt überdies die Gewissensfrage, das tragende Moment des Films, zur Randnotiz verkommen. Wieder huscht ein Schmunzeln über die Lippen. Es gab zahlreiche dieser nichtamerikanischen Totalausfälle.

Mit „Vamps“ (Amy Heckerling) hat die im oberen Gespräch erwähnte Gruppe um Resi eine amerikanische Produktion verpasst, von der man wenig erwartet und dann positiv überrascht ist. Vampire sind in Zeiten von „Twighlight“ und „Vampire Diaries“ ein prekäres Thema. Ihm scheint mit der Addition der adoleszenten Gefühlsduselei jeder interessante Aspekt abhanden gekommen zu sein. „Vamps“ entpuppt sich dagegen als kurzweilige Antithese zum Vampir-Kitsch dieser Tage, verleibt sich aber auch reichlich davon ein und ist darum ein legitimer Nachfolger der Teenie-Klamotte „Clueless“, ergänzt um das Sachgebiet des Vampirismus.

Dem dänischen Regisseur Christoffer Boe hätte man, wie erwähnt, mit seinem Kammerspiel „Beast“ weitaus mehr Zuschauer gegönnt. Titel und Synopsis lassen auf eine Auseinandersetzung mit dem Animalischen, wenn es das überhaupt gibt, im Menschen schließen. Boe aber überrascht mit einem fragilen Liebesdrama, das zwar in Bildästhetik, mit Blut, Eingeweiden und Werkzeugen Kannibalismus assoziiert, aber letztlich eine andere menschliche Triebfeder verarbeitet: Begierde. Nach diesem Film herrscht Stille. Kein Klugscheißen. Keine Diskussion über die Bänke hinweg. Schweigen kann so gut sein.

Martin Daßinnies

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