Rückblick auf das 7. Pornfilmfestival

Lederchaps und Emotionen


Kunst an der Wand des Kino Moviemento, Foto: Jekaterina Petrova

Kunst an der Wand im Kino Moviemento, Foto: Jekaterina Petrova

Filme wie „Pornografie & Holocaust“ verdeutlichen, dass es beim Pornfilmfestivals keineswegs nur um das gemeinschaftliche Sichten von Pornografie jedweder Couleur geht. Das auch, glücklicherweise, aber eben nicht nur. Ein großer Teil des Programms beschäftigt sich mit Themen, die Sex zwar als verbindende Komponente beinhalten, im Kern aber auf ganz andere Problematiken hinweisen. Oder anders gesagt: Nichts hat nicht mit Sex zu tun. So finden während des Festivals eine ganze Reihe verschiedener Talks, Buchpräsentationen und Mitmach-Veranstaltungen statt. Anne G. Sabo präsentiert ihr Buch „After Pornified“ in nonchalanter Runde, mit einem Gläschen Sekt. Fast fühlt man sich wie eine der Frauen in einem Carrie-Bradshaw-Wie-finde-ich-den-richtigen-Mann-Seminar, nur mit völlig anderem Anliegen. Im Panel „In Bed Offscreen“ berichten indessen gestandene Mitglieder der vielbeschworenen Industry über Komplikationen mit Partnern, Familie und sich selbst. Herrlich unaufgeregt ist das, und mittendrin fließen sogar ein paar Tränen, als Hardcoredarsteller Anton Dickson über seinen Ehemann spricht.

Es sind nicht die ersten. Regisseur Jim Tushinski ist im anschließenden Gespräch zu seinem Dokumentarfilm „Dirty Poole (Work in Progress)“ (USA 2012) so verzückt über die inspirative Kraft des Menschen Wakefield Poole, dessen Anwesenheit beim Festival und Biografie, dass es ums Auge schon wieder glitzert. Und auch Poole scheint nah am Wasser gebaut. Große Emotionen zwischen Blowjobs und Lederchaps, schöner hätte man es sich nicht ausdenken können. Gefühlvoll auch das Screening von „Uncle Bob“ (Robert Oppel, USA 2009), des Neffen Spurensuche nach den wahren Hintergründen um den Mord am berühmten, gleichnamigen Onkel. Der expressive Fokus greift natürlich zu kurz: Beide Filme, „Dirty Poole (Work in Progress)“ und „Uncle Bob„, sind hochpolitisch. Poole, vernachlässigte Ikone des Gayporns der 70er und 80er („Boys in the Sand„, „Bijou„), der Analsex auf Großleinwand vielleicht als erster salonfähig für den Mainstream machte und Oppel, ein als Oscar-Flitzer bekannt gewordener Aktivist und Künstler. Gemeinsam ist auch der Handlungsort, der sich zu großen Teilen auf San Francisco konzentriert.

Viele Sätze und noch immer kein harter Sex. Gemein. „The Endless Possibility of Sky“ (Todd Verow, USA 2012) soll als Vertreter genügen. Todd Verow – ohnehin ein Name, den man spätestens seit „Bottom X“ (USA 2011) nicht mehr so schnell vergisst. Nun also ein neues Werk, nicht minder verstörend. Zentrum ist ein mit Alufolie und schwarzem Plastik ausgelegtes New Yorker Appartement, eine Spielwiese, errichtet auf den Pfeilern Drogen und Sex. Hier treffen sich unter dem strengen Reglement von Mistress DaTina junge Männer auf der Suche nach Intensität, die als maßlos noch zu gelinde beschrieben wäre. Schränkchen öffnen, Substanz hinunterstürzen, Crackpfeife an, Hintern startklar. Wahnsinn. Verow überzeugt beim „In Bed Offscreen“-Panel hingegen als schüchtern-sympathischer Typ mit bübischem Grinsen. Doch alle normal hier. Gibt es ein Résumé zum diesjährigen Pornfilmfestival, dann ist es dieses. Somit ist das Fünf-Tage-Sexfilme-gucken-Trauma vielleicht doch keines und mit der Asexualität ist es schon wieder vorbei. Sei es drum.

Carolin Weidner

Pornfilmfestivalkritiken:

Meet the Fokkens“ von Gabrielle Provaas und Rob Schröder

Boys in the Sandvon Wakefield Poole

Night Dreams von Rinse Dream

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