Interview mit Regisseur Axel Ranisch zu „Ich fühl mich Disco“ – Teil 2

Mit Kino schmückt man sich



Zweiter Teil des großen Berliner Filmfestivals-Interview mit Regisseur Axel Ranisch. Nachdem Ranisch im ersten Teil erklärt, wie seine Biografie in seine Filme einfließt und welche Rolle Rosa von Praunheim für ihn spielt, erfahren wir nun, wie sein Traum, Komponist klassischer Musik zu werden, zum Schlagerheini Christian Steifen, dem heimlichen Star in „Ich fühl mich Disco„, passt, was er über den Berlin Mumblecore denkt und auf welche Ranisch-Projekte wir uns freuen dürfen.

Regisseur Axel Ranisch dreht große Filme über normale Menschen. (c) Edition Salzgeber.

Regisseur Axel Ranisch dreht große Filme über normale Menschen. (c) Edition Salzgeber.

Axel, der Erfolg ist da. Träumst du von den Millionen-Budgets?
Axel Ranisch:
Es ist gut, die Leute bezahlen zu können und auch mich selbst. „Ich fühl mich Disco“ wurde von Arte, ZDF und dem Medienboard gefördert und wir haben alle Geld bekommen. Ich wünsche mir Filme, die gefördert werden, bin aber auch bereit Filme ohne zu machen. Man muss sich langsam steigern. Momentan finde ich die kleinen Teams toll. Gerade bin ich der glücklichste Mensch, weil ich Oper inszenieren durfte. Der Gedanke, dass die UFA anfragt, ob ich „Hanni und Nanni“ Teil vier drehen will, ist mir zu abstrakt. Ich weiß nicht, ob ich mir das zutrauen würde. Ich hätte da sicher auch Angst. Ich stehe ganz am Anfang. Unsere Filme wurden technisch besser, das sieht man. Mir ist wichtig, bei meinen Schauspielern zu sein. Hätte ich fünf Lichtleute, hätten die Fragen und ich müsste mich mit denen beschäftigen. Ich habe Angst, dass mir ein Apparat den Blick auf die Schauspieler, auf das Wesentliche, verstellen könnte. Ich muss erst lernen, mit einem größeren Team zu arbeiten. Ich hege keine Millionenträume und bin froh in meiner Wohnung in Berlin-Lichtenberg. Ich pflege keinen riesigen Lebensstandard. Das Geld kommt und geht. Ich wohne in der Wohnung, in der ich aufgewachsen bin, nachdem ich zwischendurch in Friedrichshain gewohnt habe. Als meine Eltern ausgezogen sind, bin ich eingezogen. Ich bin ein Nestbauer. Diese Wurzeln machen mich stark. Meine Eltern, meine Schwester und meine Oma wohnen in der Nähe.

Wie hat sich der Opernauftrag ergeben?
Herr Bachler, der Intendant der Bayrischen Staatsoper, war begeistert von „Dicke Mädchen“ und hat allen aufgedrückt, sich den Film anzusehen. Er sagte den Dramaturgen, dass sie sich überlegen sollen, ob man was mit mir machen kann. Im Januar kam die Nachricht: Begeistert von Ihrem Film fragen wir uns, ob Sie sich auch ein Musiktheater vorstellen können und ob wir darüber ins Gespräch kommen können. Ich hatte enorme Lust, war immer ein Klassik-Nerd und hatte als Kind wenig Freunde. Zwischen meinem elften und achtzehnten Lebensjahr habe ich nix anderes gemacht, als Musik zu hören. Ich verbrachte immer die Samstage in den Ohrensesseln bei Dussmann und habe dort die eine CD gesucht, die ich mir leisten konnte. Die habe ich die Woche über durchgehört, ehe ich Samstag wieder bei Dussmann landete. Ein jahrelanges Ritual. Ich wäre auch so gerne Komponist oder Dirigent geworden, habe aber zu spät angefangen und erst mit 16 mein Klavier bekommen.

Genau wie Florian in „Ich fühl mich Disco„…
Das Klavier, das im Film zu sehen ist, ist meines. Auch mein Vater hätte mir gerne ein Moped gekauft. Er ging zu meiner Mutter und sagte: Dein Sohn will ein Klavier… Für mich war das aber zu spät, um eine professionelle Karriere als Komponist oder Musiker einzuschlagen. Durch meinen ersten Kurzfilm entdeckte ich den Film als geeignetes Medium, habe mir aber immer gewünscht, dass es doch noch irgendwie zur Musik geht und dann kam die Anfrage von der Oper. Herr Bachler wusste nichts von meiner Leidenschaft für klassische Musik.

Wie ging das dann zusammen?
Das waren zwei Kurzopern. Eine habe ich verfilmt. Der Dramaturg wünschte sich, dass meine spontane Art des Filmens mit dem sehr starren Gerüst der Oper konfrontiert wird. So erdachte ich mir ein Konzept mit zwei Kurzopern, bei der ich eine verfilme, während die andere live stattfindet. Ich nehme das aus der Oper raus und bringe es ins Kino. Während das Publikum im Kino den Film guckt, steht eine Person aus dem Publikum auf und fängt selbst an zu singen. So entsteht eine Oper in der Oper. Das geschieht nacheinander und ineinander verschränkt. Wenn die Person im Saal singt, stoppt die Musik im Film und der läuft weiter ohne Musik und ohne Handlung. Der Hauptdarsteller liest dann ein Buch, wartet oder es gibt ein Essen. Das kam gut an und wir haben gute Kritiken bekommen. Es sieht aus, als ginge es da weiter. Das wäre fantastisch.

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