Interview mit Claudia Flumenbaum, Leiterin des Berlinale Dolmetscher-Service

Englisch ist nicht gleich Englisch


Flumenbaum wollte nie selbst Dolmetscherin werden.

Flumenbaum wollte nie selbst Dolmetscherin werden.

Ihre Mutter hat den Job sehr lange gemacht und war mit über 70 Jahren noch im Einsatz…
Meine Mutter hatte höchste Ansprüche an ihre Professionalität. Als sie merkte, dass sie keine einhundert Prozent mehr geben konnte und stattdessen nur noch neunzig, was für andere Dolmetscher ausreicht, wollte sie das nicht mehr machen. Ich musste sie 2003 beinahe zwingen sich in die Kabine zu setzen und einen Film zu übernehmen, als wir einen Dolmetscherengpass hatten. Sie wollte das nicht, aber ich konnte sie überreden. Sie hat sehr gerne asiatische Filme gedolmetscht.

Wie kam Ihre Mutter zu dem Beruf?
Sie wurde in Südamerika ausgebildet, wohin sie als Kind mit ihrer Familie emigrierte. Sie wurde von den Nazis vertrieben. Es blieb nur die Möglichkeit auszuwandern oder zu bleiben und einer ungewissen Zukunft mit der möglichen Ermordung ins Auge zu sehen. 1961 kam sie zurück und hat sofort angefangen als Dolmetscherin zu arbeiten. Damals auch häufig beim Auswärtigen Amt, wo es noch keinen Fremdsprachendienst gab und stattdessen mit freien Dolmetschern gearbeitet wurde. Deshalb war meine Mutter häufig in Bonn, wenn Staatsgäste kamen. Wo heute wie selbstverständlich etliche Dolmetscher bereit stehen, gab es damals nur eine handvoll.

Welche Talente sollte ein Dolmetscher mitbringen?
Talent an sich ist schon gut. Dolmetscher brauchen ein unheimliches Wissen, eine gewisse Flexibilität und Spontanität. Sie müssen auf das, was zum Beispiel auf einem Podium passiert, reagieren können. Das Gefühl für die Sprache muss da sein, Sprachgewandtheit und eine Eleganz. Hat man viele Passivsprachen, also Sprachen, aus denen gedolmetscht wird, muss man sie pflegen. Eine Sprache zu erhalten erfordert eine hohe Investition an Zeit und Arbeit. Ein guter Dolmetscher muss gebildet sein und sein Wissen auf dem neuestem Stand halten. Bei einer Fachkonferenz für Logistik können andere Themen aufkommen, da ist ein Dolmetscher schnell aufgeschmissen, wenn er zum Beispiel nicht über Politik informiert ist.

Welche Probleme können bei der Berlinale auf die Dolmetscher zukommen?
Probleme können von überall her kommen. Aus dem Zuschauerraum, wo jemand denkt, er könnte alles besser, sich zu Wort meldet und korrigieren möchte. Oder, wenn derjenige, der auf dem Podium sitzt, nicht verständlich ist. Das zwingt den Dolmetscher zu improvisieren.

Gibt es einen Gast, vor dem gezittert wird?
Ingmar Bergmann galt als schwierig, er mochte bestimmte Stimmen von Dolmetschern nicht.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

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