Interview mit Regisseurin Asia Argento zu „Missverstanden“
Argento: "Ich will nicht mehr spielen"
Im Vorfeld des Films haben Sie viel Zeit mit den Kinderdarstellern verbracht und haben sie zu sogar sich eingeladen. War Giulia Salerno, die die Hauptrolle Aria spielt, anders?
Ich wusste, dass sie anders ist. Deshalb habe ich sie ausgesucht. Ich fühlte mich als Kind genauso. Ich wollte keinen Psychologen. Ich wollte nicht zu jemandem gehen, um über Wunden zu sprechen und die so neu aufreißen. Ich bin mir sicher, dass auch Giulia welche hat, jedes Kind hat welche. Ich wollte für sie jemand sein, auf den sie sich verlassen kann. Manchmal ist sie sehr reif, eine erwachsene Frau, aber dann ist sie wieder ein Kind. Es gab Momente, die sie hätten verderben können. Ich wusste, wann sie mehr Aufmerksamkeit als die anderen brauchte und die einforderte. Also unterbrachen wir und gingen ein Eis essen. Als Kind wollte ich viel Aufmerksamkeit und weil ich die nicht bekam, kippte das und ich holte mir sie auf negativem Weg. Ich tat Dinge, die ich nicht hätte tun sollte.
Von so einem intensiven Kennenlernen profitieren alle Beteiligten, oder?
Dieses Wochenende mit den Kids war eines der besten in meinem Leben. In den Filmen zuvor habe ich das auch schon gemacht, aber nicht so konsequent und über einen so langen Zeitraum. Bei meinem nächsten Film, bei dem ich mit Erwachsenen arbeite, werde ich die Technik wieder einsetzen. Stell dir Schauspieler vor, die ein Paar spielen sollen, sich am Set zum ersten Mal begegnen und eine Szene spielen, in der sie miteinander schlafen. Die können sich nicht Wohlfühlen. Das ist eine Art Hausaufgabe, die vor Drehbeginn erledigt werden muss – und genau so konnte ich das Vertrauen der Kinder gewinnen.
Lernten die Kinder in der gemeinsamen Zeit mehr über ihre Rollen?
Nein, das mache ich nicht. Ich bin kein Lehrer, der ihnen ihre Texte eintrichtert. Ich sagte ihnen: Vergesst das Drehbuch. Wir malten Wände an und badeten in dieser Riesenwanne. Sie durften Fluchen so viel sie wollten, weil Kinder nun mal gerne fluchen, wenn sie untereinander sind oder hinter dem Rücken ihrer Eltern. Ich wollte, dass sie das auch vor mir machen. Wir haben Musik gehört und getanzt. Ich wollte eine verspielte, vertrauensvolle Atmosphäre erschaffen, in der sie sich sicher fühlten. Ich bin nicht der Boss, der vorgibt: Jetzt setzen wir uns und lesen das Drehbuch. Ich suche als Filmemacherin nicht nach Perfektion sondern eher nach Wahrhaftigem.
War Ihre Tochter Anna-Lou bei diesem Wochenende dabei?
So kam sie erst in den Film. Sie war Teil der Gang, genau wie mein Sohn, der damals fünf war. Es war eine große Party und meine Kids waren dabei. Anna sagte davor schon, dass sie diese kleine Rolle spielen möchte. Sie hat vorher in der Schule Theater gespielt. Vielleicht ist es, was sie machen will, aber ich wollte sie nicht ins Rampenlicht stellen und sie der großen Verantwortung aussetzen. Einige Wochen sagte sie mir noch, dass sie keine Schauspielerin werden will.
Sie geben aber weiterhin Kindern Schauspiel-Unterricht. Was ist Ihnen besonders wichtig?
Es geht mir eher darum, sie auf Rollen vorzubereiten. Ich unterstütze nur Kinder, die schon Schauspieler sind. Es geht da um Konzentration oder Techniken zur Erholung. Das ist sehr wichtig, weil du Dinge vergessen musst. Gerade als Kind darfst du nicht zu viel während deines Spiels nachdenken, sonst sieht es gefaked aus. Die innere Realität geht verloren. Ich will keine Kinder unterrichten, die Schauspieler werden wollen, aber kein Talent haben. Das ist kein Job für mich, dafür will ich nicht bezahlt werden.