Interview mit Regisseurin Asia Argento zu „Missverstanden“
Argento: "Ich will nicht mehr spielen"
Ihre Familie und die Arbeit mit Kindern scheint Sie zu beschäftigen…
Die Leute vergessen häufig, bei all ihren großen Egos, dass die wichtigsten Menschen in einer Familie die Kinder sind. Kinder sind die Zukunft. Ich beobachte so oft Familien, in denen die Kinder mit einem iPad beschäftigt werden, weil die Erwachsenen nicht mit ihnen sprechen wollen. Wenn ein Kind den Raum betritt, sollte es die wichtigste Person sein. Was sie sagen, ist die Wahrheit. Was sie zu sagen haben, könnte uns von all dem Dreck befreien, den wir mit uns herum schleppen in dieser kalten Welt.
Sie beschreiben ihr Filmset als Demokratie. Verstehen Sie auch Ihre Familie als Demokratie?
Ich wuchs in einer Familie auf, die sicher keine Demokratie war, genau so wenig, wie die Schule eine war, wo Bestrafung und Ungerechtigkeit an der Tagesordnung waren. Familie war für mich ein totalitärer Staat der Furcht. Ich hatte nicht das Recht irgendetwas zu sagen und konnte den Kampf nicht gewinnen.
Was machen Sie in Ihrer Familie anders?
Ich bin seit einigen Jahren allein erziehende Mutter und sehe mich als jemanden, der führt und berät, während meine Kinder aufwachsen und sich selbst finden. Ich bin da, um sie zu schützen. Ich muss ihnen zeigen, was gut und schlecht ist, aber es bleibt ihre Wahl. Sie müssen sich selbst ihre Finger verbrennen. Ich bin keine Helikopter-Mutter, die in ständiger Angst lebt, dass ihre Kinder sich verletzen könnten. Kinder müssen sich wehtun, aber ich sollte nicht die Person sein, die sie verletzt. Manchmal entschuldige ich mich, wenn ich meine Stimme erhebe und weiß, dass es eigentlich nichts mit ihnen zu tun hatte und nur um meine eigenen Probleme geht. Ich weiß, sie können mich nicht hören, wenn ich schreie.
Das ist sicher nicht immer einfach, oder?
Wenn meine Tochter morgens aufwacht und mies gelaunt ist, versuche ich das zu verstehen und mich zu erinnern, wie es bei mir in dem Alter war. Wie es war, als ich 13 war, mit all meinen Problemen, den Hormonen, wenn man sich hässlich oder merkwürdig fühlt. Es geht dann nicht um mich. Ich will spirituell wachsen und will mich zum Guten wenden. Ich weiß, wie ich gelebt habe, war nicht richtig. Ich möchte das nicht wiederholen.
Sie sind eine vielseitige Künstlerin. Gibt es eine Kunstrichtung wie Fotographie oder Malerei, die Sie gerne vertiefen wollen?
Das Tolle am Film ist seine Vielseitigkeit. Er hat Fotographie, Malerei, Architektur und Mode. Alles. Er ist wie eine komplette Mahlzeit mit Vorspeise, Hauptgang und Nachtisch. Ich will keine Filmemacherin sein, die immer weiter Filme dreht, obwohl sie ihren Zauber verloren hat. Momentan muss ich es machen, ich kann nicht nur, sondern ich muss in naher Zukunft weiter Filme drehen. Wenn ich könnte, würde ich nur alle vier oder fünf Jahre einen Film drehen. Ich will nicht jedes Jahr Filme machen. Mich macht es glücklich, mich um meine Kinder zu kümmern.
Die Fragen stellte Denis Demmerle.
„Missverstanden“ („Incompresa„) ist ab 22. Januar 2015 in den Kinos zu sehen.