Regisseur Thomas Vinterberg zu „Die Kommune“

Vinterberg: "Jeder ist untreu"


Ausgezeichnet mit dem Silbernen Bären als beste Schauspielerin der 66. Berlinale:Trine Dyrholm! © Henrik Petit

Ausgezeichnet mit dem Silbernen Bären als beste Schauspielerin der 66. Berlinale:Trine Dyrholm! © Henrik Petit

Welches Projekt kommt als nächstes?
Ich weiß noch nicht genau, aber ich interessiere mich für die Geschichte eines U-Boots, der Kursk. Ein amerikanisches Projekt, das Luc Bessons Produktionsfirma umsetzen will.

Immer wieder zieht es dänische Filmemacher nach Hollywood. Was fasziniert Sie daran?
Ich wechsle hin und her. Das Größte, was ich als Filmemacher erreichen kann – mal abgesehen davon, mein Leben davon zu bestreiten –, ist es, Figuren, Momente oder Situationen zu erschaffen, die etwas mit den Menschen machen, mit denen sie sich identifizieren. Stellen Sie sich vor, Sie hätten Don Corleone erschaffen, dann haben Sie damit Leben erschaffen. Eine Erinnerung, über die man lächelt, eine menschliche Seele, mit der man sich auseinandersetzt. Von der man lernen kann oder von der man sich distanziert.
Ich bin mir nicht sicher, ob all das in meinen eigenen Büchern steckt. Sie sind wertvoll, aber ich mag auch die von anderen Autoren. Da geht es auch um Druck, der in diesem System auf Filmautoren lastet. Davon befreie ich mich durch Hollywood. Dort habe ich nicht mal Einfluss auf den letzten Schnitt. Dänemark ist ein sehr kleines Land, das einem oft den Eindruck vermittelt, in der Provinz zu leben. Wenn ich in den USA arbeite, mit all diesen Kostümen und Wohnwagen, beginne ich, meine Heimat zu vermissen, mein Land. Dann komme ich zurück, treffe Tobias und wir schreiben unsere eigenen verrückten Geschichten.

Ihre dänische Kollegin Susanne Bier hat kürzlich ihre Serie „The Night Manager“ vorgestellt. Würde Sie ein Projekt wie dieses reizen?
Natürlich, ich habe gerade meine Pläne präsentiert und nun geht es an die Umsetzung. Daraus könnte ein Theaterstück werden, aber auch eine Fernsehserie oder ein Film. In diesen Fernsehformaten kannst du sehr tiefe Charaktere entwickeln und deren Leben ausbreiten. Als ich „Das Fest“ drehte, arbeiteten wir so lange daran, diese Familie zu entwickeln – und plötzlich war das vorbei. Da dachten wir nie an eine Serie, aber ich erinnere mich, wie ich im nächsten Sommer zurück kam und mit dieser Familie weitermachen wollte. Eine solche Familiensaga, die sich über einen langen Zeitraum entwickeln kann, ist wirklich ein Traum von mir.
Aber viele dieser Serien nur noch Geschichten-Franchises, die sich in Kreisen bewegen und sich an keiner Stelle entfalten, dafür aber in verschiedenen Varianten wiederholen. Jede Staffel folgt dem gleichen Rezept.

Wie fühlen Sie sich bezüglich Dogma heute? Sie sagten mal, als sich in Cannes die Leute zu stehenden Ovationen erhoben, war Dogma tot.
Ich sagte, das war der Anfang vom Ende. Aber danach wurden noch sehr viele Dogma-Filme produziert, die erfolgreich waren. Heute einen Dogma-Film zu drehen, wäre ein Schritt in die Vergangenheit, wie ein Museumsbesuch. Damals war es ein Risiko, eine Revolution, ein Aufstand gegen die bestehende Art, Filme zu drehen. Aber es wurde zur Mode – und zwar sehr schnell und erfolgreich. Wir mussten Dinge anders machen. Als Künstler muss man dieses dünne Eis betreten. Was immer noch aus dieser Zeit da ist, ist die Vision, etwas Ambitioniertes und Klares zu machen, das vielleicht auch kontrovers ist.

Dogma war eine Revolution. Brauchen wir heute auch eine solche Revolution?
Man kann nicht grundlos eine Revolution starten. Wir haben uns damals radikal gegen etwas gestellt. Mir fällt schwer, heute etwas zu erkennen, was das sein könnte. Ohnehin müsste es jemand anderes sein, für eine Revolution braucht es auch Naivität. Ich bin 46, das ist nicht alt, aber zu alt für so etwas, denke ich. Ich kenne es, wenn mein Leben an die Wand fährt und ich es wieder aufbauen muss. Durch solche Erfahrungen entsteht eine gewisse Reife. Für eine Revolution müsst ihr jemand anderen fragen.

Ihr Vater war Filmkritiker, wie gehen Sie selbst mit Kritiken um?
Ich lese keine. Ich halte Kritiken für sehr sehr wichtig, finde es toll, dass Menschen sich darüber unterhalten. Es zivilisiert uns, wir sind keine Tiere, also ist es ein Privileg. Aber Kritiken über sich selbst zu lesen, ist Eitel. Das ist nicht gesund. Nicht ich soll im Fokus meiner Kamera sein, sondern umgekehrt, möchte ich durch die Kamera auf die Welt blicken.

Die Fragen stellte Denis Demmerle.

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