Unknown Pleasures 2016 erstmals im Arsenal Institut für Film und Videokunst e.V. Kino in Berlin

UP #8: Intime Wahrheiten zwischen Fiktion und Dokument


UP8Es ist ein Dilemma der menschlichen Natur, dass „das Leben nur im Rückblick verstanden werden kann, aber immer und ausschließlich vorwärts gelebt werden muss“ (Sören Kierkegaard). Um dieses existentielle Patt zu überwinden, bedarf es also diverser Speicherorte, die die zur späteren Auswertung zwingend gebrauchten Momentaufnahmen von Gestern für das zukünftige Heute verwahrt. Archive, Chroniken, Museen, Fotoalben, Videoaufzeichnungen, Tagebücher usw., das heißt Dokumente und Zeugnisse jeder Art, fungieren als derartige Herbergen gespeicherter (individueller wie gemeinschaftlicher) Wahrheiten. Sie sollen bei der zukünftigen Suche nach der Wahrheit helfen.

Die inzwischen achte Ausgabe des American Independent Film Fest Unknown Pleasures widmet sich im diesjährigen Schwerpunkt diesem dokumentarischen Blick. Im Fokus des Spezialprogramms steht das Werk des us-amerikanischen Dokumentarfilmpioniers Ed Pincus. Der studierte Harvard-Philosoph und -Photograph wandte sich Mitte der 60er Jahre dem Film zu und unterrichtete in der von ihm selbst gegründeten Filmabteilung am MIT Filmstudenten. Mit seinem ersten Film „Black Natchez“ (1967), das die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den 60ern im Süden der USA dokumentierte, leistete er einen wichtigen Beitrag für die amerikanische Version des „Cinéma vérité“, das „Direct Cinema“. Dank des UP-Kuratorenteams Hannes Brühwiler und Andrew Grant ist jetzt drei Jahre nach Pincus‘ Tod erstmals eine Auswahl seines filmischen Schaffens in Deutschland zu sehen.

Darunter auch eines seiner wichtigsten und intimsten Werke „Diaries“ (1971-1976). Angestoßen von der Frauenrechtsbewegung und den Protesten afro-amerikanischer Bürgerrechtler begibt sich der Filmemacher mit dieser Arbeit auf eine intime Spurensuche, um den Politslogan der damaligen Zeit „das Private ist politisch“ auf seine Gültigkeit im persönlichen Erfahrungsbereich auszuloten. Darüber hinaus wird auch sein letztes Werk „One Cut, One Life“, das er zusammen mit Lucia Small gedreht hat und das u.a. eine Art filmisches Vermächtnis Pincus‘ darstellt, erstmals zu sehen sein.

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