Unknown Pleasures 2016 erstmals im Arsenal Institut für Film und Videokunst e.V. Kino in Berlin
UP #8: Intime Wahrheiten zwischen Fiktion und Dokument
Neben dem Special zeigt UP #8 in diesem Jahr auch im regulärem Filmfestprogramm gleich drei Dokumentarfilme. Darunter Frederick Wisemans 40. Werk „In Jackson Heights“, Paul Thomas Andersons erster (Musik-)Dokumentarfilm „Junun“ und Travis Wilkersons Essayfilm „Machine Gun or Typewriter“. Besonders Wisemans auf 190 Minuten ausgedehnte Reise durch den quirligen New Yorker Stadtteil Jackson Heights in Queens ist ein eindringliches Protokoll der Gegenwart, das mit viel Empathie und Gespür für die individuellen Schicksale seiner Protagonisten, über die durch Gentrifizierung massiv bedrohte, friedliche und weltweit vielfältigste Nachbarschaft Zeugnis abliefert.
Die Übergänge zwischen Dokument und Fiktion sind wie so oft im us-amerikanischen Independent Cinema fließend. So finden sich unter den fünf Spielfilmen im Programm auch einige, die wie Brigitta Wagner mit „Rosehill“ die fiktiven und dokumentarischen Elemente weich und „organisch“, wie sie sagt, zusammenführt. Einer, der in diesem Jahr zwischen den Spielfilmen im Programm besonders hervorsticht, ist der Eröffnungsfilm „Experimenter“, ein Biopic über einen der wichtigsten Vertreter der us-amerikanischen Experimentellen Psychologie, Stanley Milgram (Peter Sarsgaard). Milgram, selbst Kind jüdischer Einwanderer, untersuchte, angestoßen durch den Eichmann-Prozess Anfang der 60er Jahre, den menschlichen Gehorsam der Massen. Hannah Ahrendt nannte diesen blinden Gehorsam die „Banalität des Bösen“. In seinem neuen Film bricht Regisseur Michael Almereyda („Cymbeline“, „Hamlet“) mit den für Filmbiographien sonst so typischen, konventionellen naturalitischen Mitteln und lässt seine Protagonisten vor starren zweidimensionale Photo-Bild-Filmsets spielen und seinen Hauptdarsteller Milgram als Erzähler und Kommentator seines eigenen Lebens das Publikum immer wieder direkt einzubinden – ganz im Sinne des epischen Theaters, in dem die Welt zum Zuschauer immer wieder durchbrochen wurde, um so die Illusion zu stören und ins Hier zurückzukehren. So schließt das Narrativ eine gänzlich neue Dimension zu den dokumentarischen Wahrheiten auf und schwingt zwischen Fiktion und Dokumentation unentwegt hin und her. Ein Kunstgriff, der dem Zuschauer nicht zuletzt die Erkenntnisse der Milgram Experimente aus den 60er Jahren nachhaltig nahelegt.
In seinem achten Jahr zeigt sich das American Independent Film Fest Unknown Pleasures nicht nur am neuen Spielort, im Kino Arsenal am Potsdamer Platz und im Il Kino am Maybachufer, sondern auch mit vielfältigsten Einblicken in die vergangene und gegenwärtige unabhängige us-amerikanische Filmwelt, fernab vom Arthouse-Mainstream und reich an intimen Narrativen. Die Kuratoren Brühwiler und Grants zeigen filmische Zeugnisse, deren Mittelpunkt überwiegend um die Frage nach dem menschlichen Faktor kreist. Als Bonus gibt es auch in diesem Jahr noch ein Konzert obendrauf. Im Anschluss an die Berlin Premiere von Brigitta Wagners Film „Rosehill“ lädt das Filmteam zur Premierenparty im Monarch, mit einem Konzert von der Band Hekla und Gym Tonic und Musik von DJ Lobotomy (weitere Informationen). Außerdem gibt es eine Live Performance von Cory McAbee im Mobilen Kino Griessmühle in Neukölln und ein Shortfilmabend ist ebenfalls im Programm.
SuT
Das 8. Unknown Pleasures Film Fest findet vom 3. bis 18. Juni 2016 im Arsenal Institut für Film und Videokunst e.V. Kino und im Il Kino am Maybachufer statt.