Interview mit Markus Imhoof anläßlich des Filmstarts von „Eldorado“ in den deutschen Kinos
Markus Imhoof: "Jeder kann etwas tun."
Berliner Filmfestivals traf Regisseur Markus Imhoof, der nach 40 Jahren bei der Berlinale 2018 erneut mit einem Film über Flüchtlinge vertreten war. „Eldorado“ gehört zu den differenziertesten und gleichzeitig persönlichsten Filmen zu diesem Thema. In seiner Dokumentation begleitet er Flüchtlinge ab ihrer Ankunft in Europa. Wir sprachen mit ihm über die Resonanz des Films seit der Premiere in Berlin, über die Schwierigkeiten in der Produktion und seine eigene Heimat die Schweiz.
Wie war die Resonanz zum Film nach der Berlinale und in der Schweiz?
Markus Imhoof: Ich war sehr glücklich, als ich den Applaus gehört habe. Es war ein sehr seltsames Gefühl, als ich vorne auf dem Podium stand und das Publikum immer noch klatschte, ich wusste nicht Recht, was ich machen sollte. Die Presse war einhellig positiv, was mich sehr gefreut hat. Es war ein langer Weg diesen Film zu machen, ingesamt vergingen fünf Jahre und wir waren zwei Jahre im Schneideraum. Das bedeutet eine einsame Zeit, während der man nach Innen schaut oder auf’s Bild und lange kein Echo kriegt. Auch in der Schweiz waren die Reaktionen sehr gut. Ich war bei acht Premieren dabei und hatte interessante Gespräche mit dem Publikum.
Wie und wie lange hast du dich auf den Film vorbereitet? Und wie lange dauerte die Produktion?
Imhoof: Die ganze Produktion dauerte viereinhalb Jahre. Vorbereiten konnte ich mich eigentlich nicht. Ich bin reingesprungen, ich war zuerst in Griechenland auf Frontex-Schiffen, durfte aber nicht einmal ein Foto machen. Und ich war auch beteiligt an einer Aktion, bei der Flüchtlinge „unserem“ Schnellboot ausgewichen sind und bei der 23 Menschen ertrunken sind. Das war sehr hart, wenn man selbst gleichsam mitverantwortlich ist, dass so etwas passiert. Weil ich nicht Griechisch kann und auch große Behinderungen sah in Griechenland, wollte ich zu den Italienern. Die waren ziemlich interessiert, weil sie unter Beschuss waren von rechts, dass sie Taxi für Flüchtlinge seien. Sie wollten, dass man genau sieht, was da wirklich vor sich geht. Aber es dauerte Monate, bis wir die Drehgenehmigung erhielten. Das Thema Flüchtlinge begleitet mich schon seit 40 Jahren. Das war eigentlich die Vorbereitung. Ich hatte schon im Kosovo-Krieg ein Flüchtlingsprojekt, das nicht zustande kam.
Was waren die größten Herausforderungen?
Imhoof: Man sagt, man soll keine Filme mit Kindern und Tieren machen, weil das schwierig sei. Doch Filme mit Behörden sind noch schwieriger. Die Behörden sind zwar alle öffentlich finanziert, aber man soll nicht öffentlich sehen, was sie machen, weil sie Angst haben, man denke, sie sind zu hart oder sie sind zu weich. Sie verteidigen sich gegen alle Seiten. Fernand Melgar (Dokumentarfilmemacher aus der französischen Schweiz, Anm. der Redaktion) geht es mit seinen Filmen auch so. Er hat zwei Filme in Lagern gedreht, in denen Rückführungen vorbereitet werden. Wir haben auch dort gedreht, aber da war fast gar nichts mehr möglich, obwohl dem Melgar-Film vorgeworfen wurde, dass er zu viel Empathie mit den Wärtern hätte. Das hat trotzdem dazu geführt, dass die Beamten sich ganz abgeschottet haben.
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Wie verhält es sich mit den Genehmigungen der gefilmten Flüchtlingen, über ihre Bildrechte zu verfügen?
Imhoof: In den Lagern hatten wir das Einverständnis der Leute, die wir filmen. Auf dem Meer war es natürlich nicht möglich. Ich konnte nicht vorausfliegen und Unterschriften sammeln. Ich glaube, ich bin der Anwalt der Flüchtlinge und beute sie nicht aus, in der Art wie ich sie filme. Das ist das Entscheidende. Ein Gerichtsurteil vom Bundesgericht sagt auch, dass durch Hausfriedensbruch illegal gemachte Aufnahmen von Tierquälerei erlaubt seien, weil es im Sinn des Gesamtwohls seien. Ich glaube, dass die Öffentlichkeit ein Recht hat, Informationen zu erhalten.
Du sagtest in einem Interview, dass du findest, dass Dokumentarfilmer wie Journalisten seien.
Imhoof: Ich habe schon auch den Autorenanspruch, dass ich ein bisschen mehr als nur den Moment festhalte und den Zusammenhang zeige. Dazu hat der Journalist oft nicht die Chance. Der Vorteil einer langen Arbeitszeit ist es, mit den Auf und Abs der Flüchtlingspolitik umgehen zu können. Wir haben uns entschieden, einen grundsätzlichen Film zu machen, der auch noch in 15 Jahren seine Gültigkeit hat. Es ist nicht eine Krise, die wir bewältigen können, sondern ein Thema, mit dem wir umgehen müssen.