Interview mit Markus Imhoof anläßlich des Filmstarts von „Eldorado“ in den deutschen Kinos

Markus Imhoof: "Jeder kann etwas tun."



Gab es Momente, in denen du die Beobachterposition auflösen wolltest? Oder du das Gefühl hattest, eingreifen zu müssen?
Imhoof: Es ist pervers, aber natürlich hätte ich alles zerstört, hätte ich eingegriffen. Sowohl den Film als auch die Situation selber. Ich engagiere mich für einige der Flüchtlinge, die im Film vorkommen, jetzt außerhalb der Leinwand. Aber wenn etwas Schlimmes passiert, also zum Beispiel bei der Ausweisung der einen Familie in Chiasso, das konnte ich nicht verhindern. Natürlich ist es für den Film wichtig, dass man es sieht. Aber die Familie ist irgendwo verschwunden. Ich glaube, sie hat einen großen Dienst der Sache erwiesen. Vor allem dass man die Reaktion des Kindes sieht, das stellvertretend für Giovanna da an der Grenze steht und besser als die Erwachsenen im Voraus merkt, was passieren wird. Sie ist eigentlich eine Botschafterin, eine Anwältin für die Familie und daher kostbar und Sinnbild für einen besseren Umgang mit der Situation.

War das nicht schwer, eine sehr persönliche Ebene in den Film einzubauen?
Imhoof: Natürlich ist es mir etwas unangenehm, wie ein öffentliches Tagebuch, das Innere nach außen zu kehren. Das brauchte auch seine Zeit, bevor es in den Film reinwachsen konnte. Es wurde während des Schnitts immer mehr.

In deinen Filmen hast du stets einen Bezug zur Schweiz. Wie wichtig ist es dir? Und welche Beziehung hast du eigentlich zu deinem Heimatland?
Imhoof: Ich bin Schweizer und werde das nicht los. Ich will es auch nicht los werden. Ich gebe mir nicht besonders Mühe, meinen Akzent loszuwerden, wenn ich Deutsch spreche. Es schmerzt mich vieles, was in der Schweiz passiert. Wahrscheinlich denke ich mehr über die Schweiz nach, als andere, die in der Schweiz leben. Weil ich im Ausland bin, muss ich mich immer damit auseinandersetzen und eine Haltung dazu einnehmen. Wenn eine geliebte Person etwas Übles macht, dann tut es weh.

Du kritisiert die Schweiz systematisch. Siehst du das als deine Aufgabe?
Imhoof: Das habe ich mir nicht ausgesucht, es ist so entstanden. Indem man mir meine ersten Filme verboten hat, ist es eigentlich automatisch entstanden. Es ist eine Auseinandersetzung mit etwas, das man liebt.

Fühlst du dich im Dokumentarfilm wohler als im Spielfilm?
Imhoof: Ich wollte nie Dokumentarfilme machen. Ich wollte am Anfang immer nur Spielfilme machen. Und bin dann so reingerutscht. Ich machte einen ersten Dokumentarfilm über ein Gefängnis. Weil der verboten wurde, machte ich ihn nochmal als Spielfilm, was dann möglich war. Aber ich hätte diesen Film niemals als Spielfilm machen wollen. Diese Protagonisten, sind einfach noch besser als Schauspieler im Dokumentarfilm. Ich bin immer wieder verblüfft über die Wirklichkeit.

Welche Erfahrung für dich persönlich war die wichtigste oder prägendste?
Imhoof: Das Tragische ist, dass ich zwar noch mit fünf Flüchtlingen Kontakt habe und denen auch helfe. Aber ich weiß, dass auf dem Schiff 1.800 waren. Aber ich glaube, das ist auch die Lösung. Wenn jeder einem hilft, ist die Welt schon fast in Ordnung. Ich musste auch lernen, beim Machen des Films meine Empathie auf alle Beteiligten zu erweitern. Wichtig für mich ist auch der Blick auf die Beamten.

Was wünscht du dir von dem Film?
Imhoof: Viele Leute fragen in den Diskussionen, „Was kann ich denn tun?“. Es gibt immer eine Möglichkeit, wie man in seiner Umgebung etwas tun kann. Und dann geht es darum, dass man die Zusammenhänge versteht und dass man bei den nächsten politischen Wahlen die Konsequenzen zieht. Dass man von der Menschlichkeit ausgeht und nicht von der Kohle.

Die Fragen stellte für Berliner Filmfestivals Teresa Vena.

Eldorado startet am 26. April 2018 in den deutschen Kinos.

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