„Als wir träumten“ von Andreas Dresen



Dieser Film ist kein DDR-Film, auch wenn immer wieder Klassenzimmer vollgepackt mit braven Pionieren zu sehen sind, Pionierlieder zitiert oder Halstuchschwüre aufgesagt werden. Die Rückblenden in die späten 80er sollen lediglich die Beziehungen der Freunde zueinander und ihre Sozialisierung ausleuchten. Doch die detailverliebte Ausstattung jeder Szene und die unglaublich grotesken „wir-erinnern-jetzt-hier-mal-an-das-indoktrinierte-DDR-Sprech Dialoge“ lenken den Zuschauer immer wieder nur auf die Schauwerte einer hier ausgestellten Welt und legen so eine völlig falsche Fährte, zeigen Halbwahrheiten oder deuten auf Zusammenhänge, wo es keine gibt. Eingebettet sind diese Erinnerungsfetzen in die wilde und chaotische Zeit der 90er, als Techno, Rave und House erwachten und im Osten die ehemals zwangssolidarisierte Klassengemeinschaft auseinanderdriftete und aus den Kumpels Glatzen oder No-Brand-Ökos wurden. Auch hier verliert der Film komplett sein Fahrwasser und springt plump und häufig unfreiwillig komisch von Sequenz zu Sequenz; zeigt die Clique mal hier beim Kohlenholen für die Nachbars-Oma oder dem Retten einer vom Ehemann verprügelten Frau, mal da ne kleine oder große Schlägerei mit den Glatzen, mal dort abgedroschene Bilder einer übermütigen Spritztour mit den obligatorischen „ich-lehn-mich-mal-gewagt-aus-dem-Fenster-und-rudere-wild-mit-den-Armen“-Einstellungen. Zäh aneinandergekettet wirkt Kapitelstruktur, die im Film mit schmissigen Titeleinblendungen angezeigt wird.

Doch was sich im Buch wie eine Sammlung kleiner Kurzgeschichten und herausgegriffener Einzelbeschreibungen jener Tage liest, verkommt auf der Leinwand zur toten Aufzählung der erlebten Momente und einem albernen Coming-Of-Age Streifen mit hohlen Karikaturen. Dieses Problem ist überwiegend dem Fakt geschuldet, dass der Film sich in der Hauptsache über Authentizität und Naturalismus den Geschichten und Figuren nähert. Eine gänzlich andere Wirkung hätte vielleicht eine artifiziellere Erzählform, wie der Comic oder ähnlich erzielen können. Am schlimmsten aber sind wohl die steif aufgesagten und zum Fremdschämen einladenden, flachen Dialoge wie: „Jetzt ist es wahr geworden, wir sind die Größten.“ uva. Ein Film, der so ungeschickt ein Lebensgefühl in schmalzige und hölzerne Worte packt, kann eigentlich nicht aus der Feder Andreas Dresens und Wolfgang Kohlhaases stammen, meint man.
Es ist ein Rätsel. Der Mann, der im deutschen Kino wie kaum ein anderer für sehr präzise und vielschichtige Figurengestaltungen und feinsinnigste Dialoge steht, verlässt sich in seiner neuen Arbeit auf bloße Staffage und hohl angelegte Abziehbilder von Schlägernazi bis Romantikheld. Das tut weh.

SuT

Als wir träumten„, Regie: Andreas Dresen, DarstellerInnen: Merlin Rose, Julius Nitschkoff, Joel Basman, Marcel Heuperman, Frederic Haselon, Ruby O. Fee, Kinostart: 26. Februar 2015, auf DVD ab 19. September 2015

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