„Der Sommer mit Mama“ („Que Horas Ela Volta“) von Anna Muylaert


Camila Márdila & Regina Casé in "Que Horas Ela Volta?" von Anna Muylaert läuft im Panorama 2015. Foto: Aline Arruda © Gullane Filmes

Camila Márdila & Regina Casé in „Que Horas Ela Volta?“ von Anna Muylaert läuft im Panorama 2015. Foto: Aline Arruda © Gullane Filmes

Ein Land im Wandel

Zwei Frauen, zwei Generationen, zwei Welten und eine Frage: Wer ist hier der Boss? Ihre soziale Rangordnung hat Val, seit 17 Jahren Dienstmädchen und Nanny für den Sohn einer angesehenen Familie in Sao Paolo, tief verinnerlicht und nie in Frage gestellt. Nie käme ihr in den Sinn, die Regeln ihrer Hausherren zu brechen und die „verbotenen“ Räume und Plätze im Haus selbst zu besetzen, sich mit ihnen an den gleichen Tisch zu setzen oder überhaupt mit ihnen auf die gleiche Ebene zu stellen. Mamas Gegenteil ist Vals Tochter Jessica. Val selbst hat ihr Kind nie großziehen können, denn sie musste sie vor 17 Jahren bei Verwandten in Pernambuco, im Nordosten Brasiliens zurücklassen. Als Jessica nach all diesen Jahren nun zu ihrer Mutter nach Sao Paolo zieht, steht plötzlich alles Kopf. Selbstbewusst und stark übernimmt sie kurzerhand das Ruder und stellt klar: Dieses Land hat sich verändert.

Vor über 20 Jahren begann Anna Muylaert an ihrem Drehbuch für „Que Horas“ zu arbeiten. Auslöser war die Geburt ihres ersten Sohnes und ihre bewusste Entscheidung gegen eine Nanny und Haushaltshilfe. Sie selbst wollte sich um ihr Kind kümmern. Ein gänzlich untypisches Verhalten für die Mittel- und Oberschicht in Brasilien, die die Rolle des „Nur-Mutterseins“ ablehnt und sogar abwertet, wie die Regisseurin nach dem Film erklärt. Weil es von Staat und Regierung keinerlei Unterstüzung für Mütter in Form von Krippen oder ähnlichem gibt, beschäftigen die meisten Weißen eine Nanny. Und so werden die Kinder der einen Schicht von den Müttern der andereren Schicht aufgezogen, während ihre eigenen Kinder zu Hause wiederum von anderen aufgezogen werden.

Aber was sagt es über eine Gesellschaft aus, die ihr eigen Fleisch und Blut nicht mehr selbst großzieht und welche Konsequenzen folgen daraus? Kann eine andere Person als die eigene Mutter oder der eigene Vater ein fremdes Kind mit genügend Liebe und Zuneigung versorgen? Und kann man diese Zuneigung kaufen und zu welchem Preis?

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