„Warschau 44“ & „Warschauer Aufstand“ von Jan Komasa



Ausschließlich Originalfilmmaterial aus den Aufstandstagen wurde verwendet. Dieses stark beschädigte und ohne Ton aufgenommene Schwarz-Weiß-Material wurde mit einem schier unglaublichen Aufwand koloriert, mit Musik unterlegt und mit Hilfe von Lippenlesern wurden sogar die Gespräche der Gefilmten erfahrbar. Zwei Kameramänner sprechen aus dem Off über das Filmmaterial, überlegen sich, welche Situationen sie dokumentieren wollen, bringen ihr Leben in Gefahr, um möglichst nah am Geschehen sein zu können.

Im Gegensatz zum Spielfilm werden hier anfangs die noch nicht umkämpften Stadtteile gezeigt, in denen noch eine gewisse Normalität herrschte. Die Gefilmten sehen glücklich aus, voller Hoffnung und Tatendrang. Sie sind bestens organisiert, drucken Zeitungen, backen Brot für Zivilisten und stellen ihre eigenen Waffen her. Auch die große Bedeutung der Kirche wird herausgestellt: Ständig finden Gottesdienste statt, Tote werden im Beisein eines Priesters begraben und Hochzeiten geschlossen. Durch das Wissen um das tragische Ende dieses Aufstandes berühren die anfänglich hoffnungsvollen Szenen umso mehr. Sie sind kaum zu ertragen.

Erst vor wenigen Tagen ist einer der berühmtesten Aufständischen verstorben, Władysław Bartoszewski, der frühere polnische Außenminister. Gerade deshalb ist es wichtig, die Erinnerungen für die Nachwelt festzuhalten. Piotr Śliwowski, Drehbuchautor des Dokumentarfilms, betont, dass die Kolorierung des Materials vor allem jungen Leuten der Zugang zum Thema erleichtern soll. Mit beiden Filmen wurde absichtlich kein Altmeister betraut, sondern der Jungregisseur Jan Komasa. Sie unterscheiden sich nicht nur durch das Genre, sondern zeigen auch unterschiedlichen Facetten des Aufstands.

Es macht vor allem Sinn, sich beide Filme anzuschauen. Zusammen zeigen sie nicht nur den Warschauer Aufstand, sondern verdeutlichen auf universelle Weise, was Krieg für die Bevölkerung bedeutet. „Die Filme könnten genauso gut auch den Alltag in Syrien oder im Irak zeigen“, betont Śliwowski.

Lena Hauschild

Warschau 44 (aka Miasto ’44) [Blu-ray]
“ („Miasto 44„), Regie: Jan Komasa, DarstellerInnen: Zofia Wichłacz, Józef Pawłowski, Anna Próchniak, Karolina Staniec, Filip Gurłacz, Maurycy Popiel, Antoni Królikowski u.a.

Warschauer Aufstand“ („Powstanie Warszawskie„), Regie: Jan Komasa

Die Filmkritik von Lena Hauschild entstand im 2. deutsch-polnischen Programm „Über Filme schreiben ist über die Welt schreiben“ für junge Journalisten und Filmkritiker.

Weitere Beiträge:
– Die Kritik „Nicht anfassen, sonst geht die Welt unter“ von Nadine Schrader zu „Kleine Dellen“ von Aleksandra Gowin und Ireneusz Grzyb
– Die Review „Wie ein Wunder“ von Natalie Junghof zu „In meinem Kopf ein Universum“ von Maciej Pieprzyca
– Die Kritik „Wir sind da – polnische Juden in Polen“ von Itamar Gov zu „We Are Here“ von Francine Zuckerman
– Die Review „Ohne Kompromisse“ von Mathias Puddig zu „Hardkor Disko“ von Krzysztof Skonieczny
– Die Filmkritik „Le Corbusier lässt grüßen zu „Superjednostka“ von Tereza Czepiec

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