Teil zwei von Delicatessen – Das Berliner Tischgespräch im Dezember

Crowdfunding ist demokratisch


Beatrice Behn, Anna Theil und Daniel Saltzwedel

Beatrice Behn, Anna Theil und Daniel Saltzwedel

Digitale Revolution

Saltzwedel: Crowdfunding wird zu einem weiteren Finanzierungs-Baustein. Ich finde es spannend, dass die digitale Revolution, die damals mit „Blair Witch Project“ ausgerufen wurde, nun in Schwung kommt, nachdem wir nun seit Jahren immer noch über „Blair Witch Project“ sprechen und seitdem nicht viel passiert ist. Das Crowdfunding ist die zweite Chance. Du bittest Leute, die du kennst und machst mit 5.000 Euro einen Film. Leute ohne Zugang zur Industrie können Filme machen, wenn sie sich bereit erklären, anders Filme zu machen. Indem sie sagen, mein Budget liegt bei 10.000 Euro und eben nicht bei zig Millionen. Für einen Autorenproduzent ist das interessant. Du (zu Tom) musst mir nicht vorher erklären, wie dein Film einmal wird.

Lass: Ich war euphorisch, als ich die Möglichkeit entdeckte und dachte: „Die Welt gehört mir“. Nach nun zwei Produktionen ohne Geld, möchte ich perspektivisch nicht weiter mit professionellen Leuten arbeiten, ohne sie zu bezahlen.

Saltzwedel: Es gibt wenige, die Indie sind und wie Andreas Dresen mit ihrem Namen Kinos füllen. Ich glaube, dass das Versprechen der Digitalen Revolution, mit den billigen Herstellungsmitteln in Kombination mit dieser Finanzierung, eine unabhängige Filmszene entwickeln kann. Meine Frage ist, wie ihr so dauerhaft Filme machen wollt?

Lass: Es ist für den Einstieg prima.

Theil: Wir sehen Crowdfunding bei größeren Projekten immer nur als Teil der Finanzierung. Für die Komplettfinanzierung gibt es andere Institutionen, die dafür auch eine gewisse Qualität verantworten müssen. Das eine sichert die gesellschaftliche Relevanz, das andere die Qualität. Wir arbeiten an Modellen, das miteinander zu koppeln. Dadurch soll verhindert werden, dass Filme durchs Förderraster fallen, die ein Publikum sehen möchte. Jemand, der erfolgreich ein Crowdfunding-Projekt hat, könnte erleichterten Zugang zu Fördertöpfen bekommen. Eine Variante wäre Gelder zu spiegeln.

Saltzwedel: Kommen 50 rein, legen wir auch 50 drauf, ja, warum nicht.

Theil: Modelle, die Risiken mindern.

Saltzwedel: Ich persönlich wäre dafür offen. Wie aber setzt ihr so was um? Im Filmgeschäft organisieren Verbände unheimlich viel. Ihr müsstet einen Modellvorschlag gemeinsam mit einer der Institutionen bringen. Vielleicht mit Referenzmodellen argumentieren und nach Sondertöpfen fragen, die das decken. Förderungen haben ihre Geschichte und auch ihre Kontrolle im Kontext der Politik.

Der Service bringt das köstlich duftende Essen zum Tisch. Die Runde kommt einen Moment zur Ruhe und genießt das Mittagsmahl. Tom Lass findet als erster zurück und stellt Daniel Saltzwedel eine Gretchenfrage…

Ein Kriterienkatalog, der keine Formel für Glück beinhaltet

Lass: Wie dynamisch ist denn das Medienboard?

Saltzwedel: Das ist nicht der Punkt. Der ist eher, dass wir eine recht fokussierte Vorstellung haben, für welche Projekte wir uns engagieren sollten. Das ist in erster Linie über die Auswertung definiert. Wir fragen, ist das Buch gut? Wer wird das gucken?

Theil: Das wäre eine Information, die die Crowd-Mitglieder mitliefern.

Saltzwedel: Auch wenn ein Film 3.000 Fans hätte, von denen 1.500 Geld bezahlen, wäre das lange keine Garantie für einen Erfolg.

Theil: Aber ein Indikator.

Von oben betrachtet

Von oben betrachtet

Saltzwedel: Ja, ein Indikator, bei dem es zu prüfen gilt, wie der sich in unseren Austragungsort, das Kino, überträgt. Können wir vorhersehen, ob 3 oder 300.000 Leute den Film sehen? Es ist ein wichtiges Instrument, um Kunden zu binden und das Produkt zu testen, aber das in die bestehende Förderkultur zu übersetzen, halte ich für schwierig.

Lass: Wie erklärst du dir, dass viele geförderte Filme ihr Publikum nicht finden?

Saltzwedel: Das passiert immer. Das zeigt auch Hollywood, wo das mit ganz anderem Druck geschieht. Es gibt niemanden, der das Geheimnis kennt, wie erfolgreiche Filme gemacht werden. Wir arbeiten mit einem Kriterienkatalog, der aber keine Formel für Glück beinhaltet. Es gibt keine Möglichkeit, die besser funktioniert.

Lass: Entscheidet eher das Drehbuch oder die Person, die das Projekt vorstellt?

Saltzwedel: Kann man so nicht sagen. Passt das Thema? Passt der Produzent? Ist der Verleih realistisch? Hat das Buch die Reife, dass man produzieren sollte? Was will dieser Regisseur mit diesem Buch? Wir diskutieren über die Projekte insgesamt, die Summe der Aspekte. Eine Alternative könnte sein, dass Cowdfunding im normalen Budget als Entwicklungsteil integriert wird. In diesem Bereich ist mit kleineren Summen zwischen 5.000 und 15.000 Euro viel zu bewegen – und damit entstehen Voraussetzungen, um z.B. bei uns vorstellig zu werden oder beim Fernsehen oder bei Produzenten, die Zugang zu anderen Töpfen haben. Das könnte ein Modell sein, um nicht dauerhaft Low-Budget-Filme zu machen. Wobei ich schätze, dass einige  Filmer sagen: „so wie ihr arbeitet, will ich nicht arbeiten“ – und deshalb in ihrer Nische bleiben wollen.

Lass: Wie sollen sich hauptberuflich Tätige davon ernähren?

Saltzwedel: Davon kannst du nicht leben. Das ist Teil der bewussten Entscheidung, nur die Kosten des Films zu finanzieren, nicht auch die Lebenshaltungskosten. Interessant daran ist die kompromisslose Form, die entstehen könnte. Es sollte nicht immer nur Ziel sein, in die Branche hinein zu kommen. Denn auch das ist nur eine andere Art von Stress.

Theil: Problem bei deinem Modell könnte sein, dass du Gefahr läufst, dir dein Publikum zu vergraulen, wenn dein Film dann doch nicht gedreht wird. In Amerika steigen die meisten Filmer erst in der Postproduktion ins Crowdfunding ein. Denen ist beispielsweise das Geld ausgegangen, aber die haben schon Material zu zeigen. So entsteht auch keine endlose Wartezeit, da oft schon feststeht, wann der Film ins Kino kommt oder bei einem Festival zu sehen ist. Geschwindigkeit spielt eine Rolle. Bis der Film ins Kino kommt, muss die Kommunikation aufrecht erhalten bleiben, z.B. mit neuen Trailern oder Ausschnitten.

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