Interview mit Regisseurin Ava DuVernay zu Oscar-Kandidat „Selma“

"Selma"-Regisseurin Ava DuVernay: "Ich hasse historische Dramen"



Musste der Film deshalb auch dort gedreht werden?
Wir haben einiges in Atlanta gedreht, auch aus Kostengründen. Aber wir wollten die echte Brücke, die Edmund Pettus Bridge in Montgomery. Das hat Energien freigesetzt und Erinnerungen geweckt. Wir standen auf dieser Brücke, auf der Menschen verprügelt wurden und bluten mussten, weil sie Freiheit einforderten. Es gab Überlebende aus der Region, die auch da waren, ältere Menschen. Das war sehr emotional.

Wie wichtig ist ein solches Vorgehen für historische Dramen wie „Selma„?
Ich hasse historische Dramen. Wirklich. Ich liebe Film, aber die sind das letzte, das ich sehen will. Nicht mal auf einem zehn Stunden Flug schaue ich mir historische Dramen an, ich bin allergisch darauf. Als ich eines machen sollte, dachte ich: Oh Gott, wie soll jemand wie ich daraus einen interessanten Film machen? Ich analysierte, was ich an den Filmen nicht mag. Diese Patina, die mit der Distanz und aus Respekt entsteht. Den Dramen geht die Spannung ab, weil sich die Frage, was passieren wird, nicht stellt. Das wissen wir. Die hangeln sich oft an den Fakten entlang. Wir wollten, dass die Zuschauer mit uns die Geschichte erleben und nicht nur betrachten. Deshalb gibt es die Szene mit den vier kleinen Mädchen, ehe sie bei dem Attentat sterben, deshalb zeigen wir King, wie er über seine Krawatte grübelt und mit seiner Frau diskutiert. Wir zeigen sein Ego in Bezug auf Malcom X, seine Selbstzweifel. Dinge, die uns menschlich machen. Wir tauchen in sein Leben ein.

Wie wirkte sich der große Name von Oprah Winfrey auf den Film aus?
Sie ist nicht nur ein großer Name, auch kein sehr großer Name, sondern ein Gigant. Es ist großartig, jemand mit ihrer Macht und ihrem Einfluss an Bord zu haben. In der Entertainment-Branche kümmert sich eigentlich niemand um den anderen, aber ihr Name verlangt nach Respekt! Telefon-Konferenzen mit ihr sind sehr lustig. Alle begrüßen die Runde und warten dann… Irgendwann hört man ein: „Hi, hier ist Oprah. Lasst uns loslegen“… und alle stehen stramm, wie bei einem General.

Nimmt jemand wie sie am Set Anweisungen an?
Am Set ist sie Schauspielerin und sehr bescheiden. Generell ist sie eine sehr bescheidene Frau und kümmert sich darum, dass sich jeder um sie herum wohl fühlt. Sie ist ein Teamplayer und sehr liebenswürdig.

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