Die Festivalleiter Michael Stütz und Bartholomew Sammut zum 10. XPOSED International Queer Film Festival Berlin
Interview zu Xposed 2015: Weiß, hetero und männlich dominiert immer noch
Zehn Jahre XPOSED International Queer Film Festival in Berlin! Das Jubiläum und die zurückliegenden Jahre sind Teil unseres Gesprächs mit den beiden Festivalmachern Michael Stütz und Bartholomew Sammut. Darüber hinaus geht es darum, was überhaupt queeres Kino ist, welche Aufgabe es erfüllt und um den neuen Queer Film Fund des Festivals. Ganz nebenbei geben die beiden reichlich Tipps, welche Filme keiner verpassen sollte.
Michael Stütz und Bartholomew Sammut, in wenigen Tagen beginnt das XPOSED International Queer Film Festival. Was zeichnet eurer Meinung nach den queeren Film aus?
Michael Stütz: Es kommt darauf an, wie man „Queer Cinema“ für sich und seine Arbeit definiert. Wir haben ein sehr weit gefasstes Verständnis was queer alles sein und beinhalten kann, politisch, ästhetisch oder inhaltlich. Einiges, zum Beispiel Serien, haben die mediale Landschaft verändert und es gibt inzwischen, zu unserer großen Freude, mehr queere Charaktere als je zuvor. Man mag nicht mit jeder Figurenzeichnung einverstanden sein, allerdings gibt es tatsächlich mehr und mehr diverse und multidimensionale Portraits durch diesen Siegeszug der Fernsehserien.
Ein schönes Beispiel dafür ist die australische Serie „Please Like Me„, deren komplette erste Staffel wir am 23. Mai um 18 und 20 Uhr im Moviemento zeigen werden. Darüber hinaus gibt es immer mehr Kinoproduktionen, oder zum Großteil besser gesagt Filme, die bei Festivals gezeigt werden. Erfreulich ist, dass immer mehr Frauen als Regisseurinnen oder Produzentinnen ihre Projekte umsetzen, auch wenn wir noch weit von einer sogenannten „Chancengleicheit“ entfernt sind.
Hat sich das queere Kino verändert?
M. Stütz: Thematisch rührt sich einiges in den letzten Jahren was die Repräsentation ethischer Vielfalt, aber auch weiterer Minderheiten betrifft. Aber wir sind noch weit entfernt von dem, was möglich sein muss in Bezug auf Diversität. Es gibt immer noch zu wenig zu sehen, auf Festivals und vor allem Kino. Weiß, hetero und männlich dominiert immer noch, aber schön langsam drängen zum Glück immer mehr Talente und Filme mit anderem Fokus in die Programme, wobei viele Festivals sicherlich noch bessere Arbeit leisten können. Da müssen wir uns auch die Rute ins eigene Fenster stellen, so sehr man sich bemüht, man muss sich da noch mehr engagieren.
Welche Aufgabe hat queerer Film?
M. Stütz: „Queer Cinema“ muss ein Kino der Kritik sein. Eine Kritik des Normativen, egal ob hetero- oder homosexuellen Ursprungs. Es soll die Grenzen erweitern, die Grauzonen thematisieren, Platz für ambiguitive Räume und Figuren schaffen, radikal sein und das nicht nur inhaltlich, sondern auch ästhetisch. Es soll Fragen aufwerfen, unbequem sein, aber gleichzeitig lustvoll, sex-positiv, feministisch, aggressiv, sensibel, camp, tuntig, laut und leise, authentisch und voller Extreme. So, ich glaube, jetzt weiß keiner mehr was ich meine, aber vielleicht weiß ich das selbst auch nicht so genau, will ich vielleicht auch nicht. Am besten man bewahrt sich eine gewisse Offenheit und Neugierde auf das Andere, das Unbekannte.