Ehrlich und authentisch: Interview mit Uisenma Borchu zu „Schau mich nicht so an“
Regisseurin Borchu: "Sex ist etwas Besonderes, aber auch etwas Stinknormales"
Deine vorherigen Filme waren im Dokumentarfilmbereich angesiedelt: Was hat dich dazu gebracht, nun einen Fiction-Langfilm zu realisieren?
Ich wollte Film entdecken, so musste ich auch mal etwas „Gestelltes”, Inszeniertes machen, obwohl der Film komplett durchimprovisiert ist. Ich habe die Dialoge im Buch angedeutet. Das heißt, was die Figuren ungefähr erzählen sollen, war schon vorher angegeben, aber wir sind Laien. Da kann man jetzt nicht versuchen, nach einem vorgegebenen Text zu gehen. Wenn man kein Schauspieler ist, bringt das auf diese Weise nichts. Josef Bierbichler war der einzige professionelle Schauspieler. Der kann aber komplett freien Lauf lassen. Für ihn ist es die hohe Kunst zu improvisieren. Das reizt ihn. Das ist eine andere Art des Filmemachens. Mit dem Dokumentarfilm konnte ich bestimmte Momente nicht so erschaffen. Dazu hätte ich viel mehr Zeit gebraucht. Es wäre eine längere Suche gewesen. Das Inszenieren ist für mich viel interessanter gewesen, so konnte ich auch das emotionale Filmemachen vor und hinter der Kamera entdecken. Film ist für mich Film sobald die Kamera an ist. Es besteht einfach eine gewisse Art von Künstlichkeit, ob du nun mit einem Protagonisten oder mit einem Darsteller drehst. Herauszufinden, wie du da funktionierst und wo du mehr funktionierst, das finde ich interessant am Filmemachen.
Du wolltest eigentlich einen Dokumentarfilm machen, da du von Catrina Stemmer, die die Iva spielt, fasziniert warst. Hast dich dann für die Fiction entschieden. Jetzt spielt ihr beide die Hauptrollen und seid beide Laien. Wie bist du auf die Idee gekommen, das so zu inszenieren?
Es ist das Aussehen und die ganze Aura, die Catrina immer ausgedrückt hat. Als ich sie wegen dem Film fragen wollte, hat sie mich schon so angeguckt und gesagt: „Du, irgendwie habe ich das Gefühl, du willst mich in deinem Film haben…“ Da habe ich gespürt, dass sie mich spürt. Das ist die beste Voraussetzung, egal ob du Regie oder Darsteller bist, da ist einfach eine Connection. Sie weiß ganz genau wie ich fühle. Beim Schreiben hat sich herauskristallisiert, dass ich Hedi sein muss. Ihr Gegenpart, und auch keine Schauspielerin. Das war eine Sekundenentscheidung, aus dem Gefühl heraus und wenn es aus dem Gefühl heraus intuitiv kommt, ist es immer am stärksten. Manche Leute finden das vielleicht schwach, aber es ist ein echter Moment. Catrina und ich, wir bringen dieses Potential mit, visuell, so dass ich filmisch mit den Kontrasten arbeiten konnte. Andererseits kennen wir beiden uns, sind Freundinnen. Da schwingt diese Authentizität mit und das muss man nutzen.
Das war für dich keine Überwindung, eine antagonistische Kraft zu verkörpern? Die Figur, die du spielst, Hedi, ist ja nicht nur positiv gezeichnet. War das für dich ein Problem?
Nein, weil ich mir das nicht ausgedacht habe. Es gibt ja genug Frauen, die so sind. Nur werden sie in der Filmwelt nicht so oft präsentiert, weil sie den Stereotyp von der Frau nicht widerspiegeln. Ich finde das spannend, wenn Frauen repräsentiert werden, die ganz anders ticken und trotzdem Frau sind, die sich aus diesem „Frau-Kleid“ verabschieden, sich nicht in eine Box schieben lassen und trotzdem zweifeln, wer sie sind. Die Identitätssuche in unserer Gesellschaft ist echt hart. Das auszudrücken finde ich spannend.
Es gibt sehr viele Nacktszenen, Sex und Sexualität sind wichtige Themen des Films. Warum hast du es auf diese Weise dargestellt?
Die Stärke die Elemente des Pornografischen zu nehmen war mir wichtig, obwohl mein Film ästhetisch nichts damit zu tun hat aber die nackte Frau wird gleich mit Pornos in Verbindung gebracht. Diese Nacktheit habe ich mit anderem Inhalt gefüllt. Sex ist etwas Besonderes, aber auch etwas Stinknormales. Wenn jemand im Kino sitzt und sagt: „So etwas Banales wie Sex brauche ich nicht zu sehen.“ Dafür sich aber lieber eine x beliebige andere Nichtsexszene anschaut… stellt sich die Frage, was sein Problem ist?
Dann kommt noch hinzu, wir leben in einer Gesellschaft, in der man sofort an Porno denkt wenn man eine nackte Frau sieht… die nackte Frau wird zum Objekt, aber es gibt noch unendlich andere Farben und Bedeutungen.
Wenn eine Frau wie Hedi selbstbestimmt ist und sagt: „Mein Gott, du hast echt noch nicht so oft gefickt“, dann hat das eine Stärke, weil die Frau im Bett nicht aufbegehren kann im Sinne des Pornos, weil sie es da ins Gesicht gespritzt bekommt und aus. Daher bin ich nicht einverstanden mit dieser Art von Nacktheit und Sexualität. Wir tun immer so, als ob wir so offen sind. Dabei entwickeln wir uns rückwärts.