Ehrlich und authentisch: Interview mit Uisenma Borchu zu „Schau mich nicht so an“
Regisseurin Borchu: "Sex ist etwas Besonderes, aber auch etwas Stinknormales"
„Schau mich nicht so an“ lief als Abschlussfilm beim XPOSED Queer Film Festival 2016. Würdest du auch sagen, dass dein Film queer ist?
Der ist nicht nur queer. Der ist alles Mögliche. Es geht um den Konflikt, dass man irgendeine Identität einnehmen muss. Man muss sich als Frau oder als Mann als etwas abstempeln lassen. Also man muss hetero, homo oder was auch immer sein. Das setzt einen Menschen unheimlich unter Druck, aber ich glaube, das wird immer wieder wechseln. Du stehst eine zeitlang auf Männer, dann auf Frauen und dann denkst du, du bist irgendwie komisch, aber im Endeffekt stehst du auf Menschen. Du bist alles Mögliche und darfst das auch sein. Du musst dich nicht festlegen, aber ich finde ein Festival wie das XPOSED und auch LGBT-Organisationen, wie in der Mongolei – die wollen den Film gerne vorführen – sind total wichtig, damit man zusammenkommt und sieht, wie man sich stärkt.
„Schau mich nicht so an“ wurde in München gedreht, spielt auch hauptsächlich in München. Es gibt aber auch einige Szenen, die in der Mongolei spielen. Du selbst bist dort geboren. War es dir sehr wichtig, diesen persönlichen Bezug einzubringen?
Das habe ich mit Hedi gemein, vor allem dieses Zwischen-den-Welten-leben und immer diese Kontraste zu haben, damit man auch eine Desorientierung fühlt. So etwas wie: Was bist du? Wer bist du? Was ist deine Herkunft? Sind Wurzeln überhaupt wichtig? Ich hinterfrage das. Ich glaube, wir brauchen keine Wurzeln. Du bist da Zuhause, wo du dich wohlfühlst. Das kann man auch nach fast dreißig Jahren Deutschland und Mongolei sagen. Ich bin niemand, der sich nationalistisch fühlt. Du wirst irgendwo hineingeboren. Ich kann nicht sagen, dass ich stolz bin, Mongole zu sein. Dafür muss ich erst einmal etwas für die Mongolei tun, damit ich das wirklich sagen kann. Aber ansonsten: Das ist halt ein Planet!
Viele der Bilder, die im Film zu sehen sind und auch das Motiv des Plakats stammen von deinem Vater. Ein weiteres Familienmitglied von dir hat auch an diesem Film mitgearbeitet. Wie wichtig war es dir bei deinem Film auch deine Familie einzubinden?
Meine Schwester Tschagsalmaa Borchuu ist Modedesignerin, sie hat mir mit den Kostümen geholfen. Meinem Vater Borchu Bawaa habe ich schon früh die Geschichte erzählt und mir Rat geholt. Ich kann mich künstlerisch mit ihm am besten unterhalten, weil er mich versteht. Kurz vorm Dreh habe ich ein paar Bilder aus seinem Atelier geholt, die ich unbedingt im Film haben wollte, wie das blaue Anfangsbild. Als er den Rohschnitt gesehen hat, haben wir schon über das Plakat gesprochen. So ein gemaltes Plakat ist besonders. Ich finde so schön, was er gemacht hat und es passt zum Titel „Schau mich nicht so an„. Das sind alles Sachen, die nicht kalkuliert sind, sondern die einfach fließen.
Auf den Titel bist du also spontan gekommen?
Arbeitstitel war „Iva und Hedi„. Ich habe schon ein paar Nächte gegrübelt, was ich für einen Titel möchte, der genau das transportiert, was man will von der Welt und von sich und wie man die Welt sieht, wie die Welt einen sieht. Man möchte einmal ein bisschen anders wahrgenommen werden und ich glaube, das ist vor allem das, was wir Frauen sagen können.