Ehrlich und authentisch: Interview mit Uisenma Borchu zu „Schau mich nicht so an“
Regisseurin Borchu: "Sex ist etwas Besonderes, aber auch etwas Stinknormales"
„Schau mich nicht so an“ wird ins Kino kommen. Bist du ein wenig überrascht von dem Erfolg oder hast du schon gedacht, dass der Film aufgrund des Themas einen Nerv treffen könnte?
Ich glaube, man trifft da schon einen Nerv. Ein Regisseur muss einen gewissen Zeitgeist spüren. Nicht viele können sagen, das sei ein netter Film, aber etwas passiert mit den Zuschauern und ich glaube, dass der sexuelle und der Frauen Aspekt in meinem Film auf den Kopf gestellt werden. Es ist ein Film, der sehr ehrlich gemacht wurde und viele spüren das. Deswegen finden einige ihn auch so unangenehm – nicht wegen den Sexszenen oder der Nacktheit, sondern weil der so intim ist. Für einen Zuschauer ist es schwierig, das auszudrücken – genau wie für mich auch. So etwas Intimes ist selten.
Wie ist Josef Bierbichler zu dem Projekt gestoßen?
Ich habe ihn in einem Film gesehen. Das war gerade die Phase, wo ich nach einem Darsteller des Vaters gesucht habe, der 65 Jahre ist, der Kraft vermittelt und gleichzeitig aber auch diesen sexuellen Trieb hat. Er ist ein sehr attraktiver, toller Mann und dann war er mit seinem Buch „Mittelreich“ auf einer Lesung unterwegs und da bin ich in den Bayerischen Wald gefahren und habe ihm das Drehbuch gegeben und meine Dokumentarfilme. Dann fing die Diskussion an – nicht über den Film, das war ihm total klar, was das für eine Rolle sein muss, es ging um Film und Kultur, Deutschland und alles Mögliche. Da spürte ich, dass die Chemie stimmt. Ich habe gesagt: „Du musst nicht warten, du musst einfach nur drehen. Wir improvisieren.” Das ist für Sepp, glaube ich, die höchste Kunst, wenn man als Darsteller improvisiert und wenn es auch noch den Nerv trifft.
Du hast bereits Identitätsfindung erwähnt. Ist Filmemachen für dich auch eine Identitätsfindung?
Man ist ja ständig auf der Suche. Wenn du Pech hast, hast du dich gerade wieder verändert und musst noch einmal von Neuem beginnen. Ich glaube, man ist dauernd auf der Suche zu finden, was man gerade ist. Film ist eine ganz tolle Möglichkeit mich auszudrücken und bisher war ich immer schneller, bevor ich mich verändert habe. Der Film hat mir viel gegeben. Nicht nur das vor und hinter der Kamera sein, auch der Schnitt. Es ist das erste Mal, dass ich einen Spielfilm geschnitten habe. Ich verstehe viel mehr vom Filmemachen, und was er bedeuten kann…
Identifizierst du dich mit den Figuren? Also nicht nur mit Hedi, die du gespielt hast, sondern auch mit den anderen?
Ich kann alle vier Figuren komplett fühlen, den Großvater, das Mädchen, auch die Großmutter und Iva sowieso. Ich bin mehr Iva als Hedi. Ich wünschte, ich wäre manchmal so stark wie Hedi, weil wir doch diese ganzen Situationen kennen, wenn man manchmal denkt: „Ah, hätte ich mal vorhin… Wieso habe ich ihm nicht die Meinung gesagt?“ Man ist einfach so ein Schisser! Deswegen ist der Film auch so politisch für mich, weil er dir zeigt, dass Schweigen manchmal auch gefährlich ist… Der Film hat eine Tiefe und ich schätze diese Ehrlichkeit, dass man erst einmal bei sich selbst anfangen muss bevor man etwas anderes verändern möchte.
Die Fragen stellte Michaela Grouls für Berliner Filmfestivals.
„Schau mich nicht so an„, Regie: Uisenma Borchu, DarstellerInnen: Uisenma Borchu, Catrina Stemmer, Josef Bierbichler, Anne-Marie Weisz, Kinostart: 16. Juni 2016