14. Afrikamera (15. bis 21. November)


Afrikamera Key Visual © Afrikamera

Vom 15. bis zum 21. November findet die 14. Festivalausgabe von AFRIKAMERA – AKTUELLES KINO AUS AFRIKA statt. Alle Filme laufen vor Ort im Kino Arsenal und im neu eröffneten Humboldt Forum. Das Programm fasst dieses Jahr Jugend- und Popkultur in den Metropolen Afrikas ins Auge – von senegalesischem HipHop bis zu Virtual Reality Filmen aus Dakar, Lagos und Johannesburg.

Eröffnet wird AFRIKAMERA am 15. November mit dem preisgekrönten Spielfilmdebüt GRAVEDIGGER`S WIFE (DJ/FI/DE/FR 2021) des finnisch-somalischen Regisseurs Khadar Ayderus Ahmed. Der Film erzählt von Guled und Nasra, die gemeinsam mit ihrem Sohn Mahad in einem Außenbezirk von Dschibuti-Stadt leben. Als Nasra aufgrund einer chronischen Nierenerkrankung eine teure Operation benötigt, steht die Familie vor der Herausforderung, das notwendige Geld aufzutreiben, ohne den Zusammenhalt zu verlieren.

Für Serien-Fans hat AFRIKAMERA am 16. November zwei Folgen von WALABOK (SN 2021) der Autorin und Regisseurin Fatou Kandé Senghor im Angebot. Die Serie folgt Mossane, die eine Karriere als Rapperin anstrebt. Der Eintritt ist frei!

Um Musik dreht sich auch die Dokumentation ADIKORO – WOMEN IN MUSIC: GHANA, die am 19. November im Programm AFRICAN SHORTS – AFRICAN POP CULTURES läuft. Regisseurin Pamela Owusu-Brenyah setzt sich in ihrem Film, der als Commissioned Work für das Festival Pop-Kultur 2021 entwickelt wurde, mit der Situation von Frauen in der ghanaischen Popmusik auseinander. Im Anschluss zum Screening gibt es ein Podiumsgespräch mit Pamela Owusu-Brenyah und WALABOK-Regisseurin Fatou Kandé Senghor (siehe Kurzkritik).

Am 18. November kommen auch Liebhaber:innen des Genre-Films auf ihre Kosten. Im Humboldt Forum läuft dann #LANDoftheBRAVEfilm (NA 2019), ein Cop-Thriller des deutsch-namibischen Regisseurs Tim Huebschle. Der Film folgt der Polizistin Meisie Willemse bei ihren Ermittlungen nach einem Serienmörder und reflektiert gleichzeitig das schwierige Zusammenleben in einer postkolonialen Gesellschaft.

Mit den Folgen des Sechs-Tage-Krieges zwischen der ugandischen und der ruandischen Armee in Kinshasa im Juni 2000 setzt sich die Dokumentation DOWNSTREAM TO KINSHASA (CG/BE/FR 2020) auseinander. Regisseur Dieudo Hamadi begleitet neun Überlebende des Krieges auf ihrer Reise entlang des Kongo nach Kinshasa, wo sie vor der Nationalversammlung protestieren wollen, denn nach nunmehr 20 Jahren haben sie von der Regierung immer noch keine Wiedergutmachung erfahren (siehe Kurzkritik).

Im Kurzfilmprogramm AFRIKAMERA-SHORTS (am 18. November) zeigt das Festival drei Filme aus dem Sudan, Ägypten und Burkina Faso. Darunter zum Beispiel die Doku A JOURNEY TO KENYA von Ibrahim Ahmad, der ein Kampfsportteam auf der Busreise von Khartum nach Nairobi begleitet.

Unter dem Motto „Urban Africa, Urban Movies“ verwandelt sich das Foyer des Humboldt Forums vom 17. bis 21. November in eine Virtual Reality Lounge. Bei freiem Eintritt könnt ihr dort Produktionen aus Dakar, Lagos, Accra, Nairobi und Johannesburg erleben.

Für Jugendliche ab 13 Jahren bietet das Festival in Zusammenarbeit mit der Künstlerin und Empowerment-Trainerin Rebecca Korang ein interkulturelles Format an. Am 21. November findet ein ganz besonderes Screening des Films PETIT JO, ENFANT DES RUES (CM/ZA 2019) statt. Zusätzlich zu einer interaktiven Einleitung gibt es nach der Hälfte des Films ein Interview mit Regisseur Daniel Kamwa und im Anschluss an die Vorstellung ein Publikums-Q&A. Der Film spielt in der kamerunischen Hauptstadt Yaoundé und erzählt die Geschichte des Waisenjungen Jo, der sich selbst als der Tod seines Ziehvaters ihn mit scheinbar unüberwindbaren bürokratischen Hürden konfrontiert, nicht vom Weg abbringen lässt.

Getragen wird AFRIKAMERA vom Verein toucouleur e.V., einem Zusammenschluss deutscher und afrikanischer Kulturschaffender, der sich für den interkulturellen Dialog zwischen Afrika und Deutschland einsetzt. Schwerpunkt des Festivals ist seither der Austausch zwischen afrikanischen Filmemacher:innen und Berliner Publikum. Dieser Austausch findet dieses Jahr neue Formen. Im Humboldt Forum gibt es am 17. November einen Ciné-Slam. Hier präsentiert der Slammer Doueslik, begleitet von zwei Musikern, Filmsequenzen aus 50 Jahren Filmkunst des burkinischen Kinos.

Mit zahlreichen Filmen, Q&As, Podiumsdiskussionen und Premieren in Anwesenheit der Filmschaffenden bietet AFRIKAMERA nicht nur Einblicke in die aktuellen und vielseitigen Filmkulturen Afrikas, sondern auch Festivalfeeling vom Feinsten – ein Besuch im Arsenal oder im Humboldt Forum lohnt!

Zum Programm geht es hier. (LINK: https://www.afrikamera.de/ )

Theresa Rodewald

Adikoro © Pamela Owusu-Brenyah, Pop-Kultur 2021

ADIKORO – WOMEN IN MUSIC: GHANA

Darum geht es:
„Adikoro“ bedeutet auf Twi ungefähr so viel wie „gleichberechtigt“. Gleichberechtigt sind Frauen in der ghanaischen Musikindustrie aber keineswegs. Während ihre männlichen Kollegen weltweit Erfolge feiern, sind Frauen in der Musikszene des Landes nur wenig sichtbar. In ihrer ersten Dokumentation geht Regisseurin Pamela Owusu-Brenyah der Frage nach, wieso Frauen in der ghanaischen Popmusik immer noch unterrepräsentiert sind.

Was Du zum Film wissen musst:
Pamela Owusu-Brenyah spricht mit Künstler:innen, Musikproduzent:innen und Unternehmer:innen. Musikerinnen wie Sister Deborah, Efya und Nya erzählen von ihrem künstlerischen Werdegang, aber auch von einer patriarchal-geprägten Musikindustrie, die es Frauen, zusätzlich zu konservativen Gesellschaftsmustern, schwer macht, eine Karriere als Musikerin anzustreben. Und auch Talent & Relationship Manager Christopher Koney und Produzent Ruddy Kwakye reflektieren kritisch darüber, dass die Musikindustrie in Ghana es lange Zeit vermieden hat, Frauen die gleichen Möglichkeiten einzuräumen wie Männern.

Owusu-Brenyah belässt es aber nicht bei einer Zustandsbeschreibung, sondern zeigt auch, dass Veränderung möglich ist. Besonders spannend sind deshalb ihre Interviews mit Frauen, die sich für Gleichberechtigung einsetzen. So zum Beispiel die Juristin Cynthia Quarcoo, die weibliche Acts vertritt oder die Künstlerinnen der Initiative Black Girls Glow, die die Zusammenarbeit zwischen weiblichen Musikerinnen stärkt.

Pamela Owusu-Brenyahs Doku widmet sich einem spannenden Thema und lässt selbst in einer kurzen Laufzeit von knapp 27 Minuten verschiedene Stimmen zu Wort kommen. Sie begegnet ihren Interviewpartner:innen dabei stets auf Augenhöhe und vermeidet es, von außen über die ghanaische Musikindustrie zu urteilen. Stellenweise wäre allerdings eine stringentere Erzählführung wünschenswert gewesen. So bleibt es am Ende den Zuschauer:innen überlassen, die verschiedenen Erzählfäden zusammenzuführen. Dennoch ist ADIKORO eine klare Seh-Empfehlung und ein eindrucksvolles Debüt, dem hoffentlich bald weitere Dokumentarfilme folgen werden. – TR

Termin beim 14. Afrikamera:
Freitag, 19. November, 19 Uhr, Arsenal

JUJU STORIES © Afrikamera

JUJU STORIES

Darum geht es:
Der Film erzählt drei Geschichten, die sich mit Bräuchen und Aberglauben in Afrika auseinandersetzen: Eine Frau hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann. Bevor es ernst zwischen werden kann, macht er aber Schluss. Sie ist enttäuscht und lässt sich das Rezept für einen Liebestrank geben, der den Mann nach ihr verrückt machen soll. Dieser wirkt, doch besser als sie es sich eigentlich gewünscht hat. An anderer Stelle ist ein Mann, der Geld vom Boden hebt und deswegen in eine Kartoffel verwandelt wird. In dieser Gestalt findet ihn jemand, bereitet ihn zu und isst ihn. Schließlich geht es um zwei Freundinnen, von der die eine von allen als Hexe bezeichnet wird. Ihre beste Freundin möchte das nicht glauben, doch als ihr Schwarm auf mysteriöse Weise verschwindet, kommen ihr Zweifel.

Das musst du zum Film wissen:
Der Film ist das gemeinsame Werk verschiedener Regisseure aus Lagos und Nigeria, die zusammen das Kollektiv Surreal 16 bilden. Sie wollen eine Alternative zu Nollywood bieten, dem kommerziellen Kinos aus Nigeria, das in den letzten Jahren einen gewissen inner-afrikanischen Erfolg feiert. Der Film und die einzelnen Episoden sind mit einem sehr kleinen Budget entstanden, zeigen aber einen bemerkenswerten künstlerischen Anspruch und verschiedene eindrucksvolle Schauspieler. – TV

Termin beim 14. Afrikamera:
Donnerstag, 18. November, 20 Uhr, Arsenal

LA NUIT DES ROIS © Afrikamera

LA NUIT DES ROIS

Darum geht es:
Ein junger Dieb kommt frisch in einem der größten Gefängnisse Afrikas. Sofort wird er dort von Barbe-noire (schwarzer Bart) zum Geschichtenerzähler ernannt. Er muss die ganze Nacht den Insassen eine Geschichte erzählen, sonst stirbt er. Die strenge Hierarchie im Gefängnis zweifelt er nicht an und fügt sich. Umgeben von den gereizten und aufgeregten Mitinsassen fängt er an, über das Leben von König Zama zu erzählen. Dabei vermischt er Legende und wahre Fakten über Zama und verschmilzt mit dem Protagonisten seiner eigenen Geschichte. Ganz nebenbei droht im Gefängnis ein Aufstand und Machtwechsel.

Was du zum Film wissen musst:
Inspiration für Philipp Lacôtes Film sind die Verhältnisse in einem der überfülltesten Gefängnisse in Westafrika, La Maca, das an der Elfenbeinküste liegt. Die Aufnahmen konnten nicht dort gemacht werden, doch kennt es der Regisseur, als er dort als Kind Verwandte besuchte. Es ist ein Gefängnis, das von den Insassen selbst unter einer strengen Hierarchie geordnet wird. Der Film wirkt wie ein frenetischer Albtraum, in dem die Hitze und die Enge des Raumes auch für den Zuschauer körperlich spürbar werden. – TV

Termin beim 14. Afrikamera:
Samstag, 20. November, 20 Uhr, Arsenal

THE LETTER © Afrikamera

THE LETTER

Darum geht es:
Ein junger Mann erhält einen Brief von seiner Großmutter, in dem sie ihm erzählt, dass sie von den Dorfbewohnern als Hexe bezeichnet wird. Leider kann er dies nicht so leicht abtun, denn die Verfasser des Briefes verfolgen den Zweck, die Großmutter zu diskreditieren, um sie zu zwingen, ihr Grundstück an sie zu verkaufen. Wie ihr geht es vielen anderen älteren Menschen auch. Sie werden als Hexer beschimpft und deswegen als Gefahr für die Gemeinde bezeichnet. Weigern sie sich, sich zu isolieren, droht ihnen sogar der gewaltsame Tod.

Weiterlesen: Unsere Kritik zum Film.

Was du zum Film wissen musst:
Was sich als Geschichte für einen Spielfilm anhört, ist leider Wirklichkeit in Kenia. Davon erzählt der Dokumentarfilm von Maia Lekow und Christopher King. Eindrücklich zeigt dieser auf, wie Traditionen zu Missbrauch führen können. Mit ihrem Dokumentarfilm haben sich die Autoren an Themen herangewagt, die der Mehrheit eines westlichen Publikum sehr fremd sein werden. Trotzdem haben sie es geschafft, einen ehrlichen Einblick in eine ganz andere Kultur zu geben. – TV

Termin beim 14. Afrikamera:
Samstag, 20. November, 18 Uhr, Arsenal

ZINDER © Afrikamera

ZINDER

Darum geht es:
Zinder ist die zweitgrößte Stadt in Niger. Ein Teil davon, „Kara Kara“ ist dafür bekannt, Heimat von verschiedenen Jugend- und Drogengangs zu sein. Früher war es ein Ghetto für Leprakranke. Die Menschen, die heute hier wohnen, haben meist keine rosigen Zukunftsperspektiven, da es ihnen an Infrastruktur oder an Anbindung zum wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben des Landes fehlt. In der einen Gang mit dem sprechenden Namen „Hitler“ versammeln sich muskulöse Typen, die gemeinsam trainieren und sonstigen Geschäften nachzugehen.

Was du zum Film wissen musst:
Gedreht hat den Dokumentarfilm Aïcha Macky, die selbst aus Zinder stammt, aber aus dem besagten anderen Teil der Stadt. Es ist mehr als außergewöhnlich, dass man ihr Zugang in Kara Kara gewährt hat, erst recht als Frau. Sie spricht mit Männern, die ganz offensichtlich eine bewegte kriminelle Vergangenheit und Gegenwart haben. Beeindruckend ist dabei, ihre Fähigkeit, angesichts des Gesehenen und Gehörten, unparteiisch zu bleiben. Der Film wirft nicht nur Licht auf die Rollenstrukturen, die sich auf Frauen äußerst brutal auswirken, sondern auch auf die wenig zuversichtlichen Dynamiken dieser Gesellschaft insgesamt. – TV

Termin beim 14. Afrikamera:
Donnerstag, 18. November, 22 Uhr, Arsenal

DOWNSTREAM TO KINSHASA © Afrikamera

DOWNSTREAM TO KINSHASA

Darum geht es:
Mit DOWNSTREAM TO KINSHASA, der bei der DOK Leipzig 2020 die Goldene Taube gewann, dokumentiert Dieudo Hamadi die Reise von Überlebenden des Sechs-Tage-Krieges im kongolesischen Kisangani, die in Kinshasa ihre seit 18 Jahren versprochenen Reparationszahlungen von einer Millionen Euro einfordern wollen. Es ist eine beschwerliche Reise, zum Teil auf einem großen Boot, bei denen die Mitreisenden auch den Alltag zwischen Kochtöpfen und abendlichem Gesang miteinander gestalten.

Disclaimer: Die Rezension des Films erschien zum ersten Mal im Festivalbericht zur DOK Leipzig: https://ray-magazin.at/vom-kleinen-glueck-und-vom-grossen-widerstand/

Was du zum Film wissen musst:
Obwohl Hamadi in intimen Aufnahmen zeigt, was für alltägliche Strapazen die Kriegsversehrten beispielsweise mit alten Prothesen erdulden müssen, sind sie niemals nur Opfer, sondern strotzen vor Lebenswillen und Vitalität. Das wird auch in den immer wieder eingesetzten Theaterszenen deutlich, in denen sie das ihnen Widerfahrene performativ in Szene setzen (allerdings nicht wie bei Oppenheimers THE ACT OF KILLING für die Kamera konstruiert, sondern weil sie so ohnehin teilweise ihr Geld verdienen und das Erlebte verarbeiten). „Du wärst behindert, wenn du mental nicht mehr in der Lage wärst, Dinge zu tun – du bist also nicht behindert“ macht Sola, die als Achtjährige beide Beine im Krieg verloren hat, einem Mitstreiter Mut. – MK

Termin beim 14. Afrikamera:
Donnerstag, 18. November, 18 Uhr, Arsenal