1. Mai, Tag der Arbeit: Film- & Serien-Empfehlungen der BFF-Redaktion


I, TONYA

Darum geht es:
Leben und Karriere der Eiskunstläuferin Tonya Harding (gespielt von Margot Robbie) bis zu jenem berüchtigten Vorfall im Januar 1994, als ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan (hier Caitlin Carver) attackiert und am Knie verletzt wird. Der Film erzählt im Mockumentary-Style, der die widersprüchlichen Darstellungen rund um den Vorfall betont und Harding fiktiv zur Sprache kommen lässt.

Was ihr über den Film wissen müsst:
Während Ballett in BILLY ELLIOT nicht nur Ausdrucksmittel, sondern auch Hoffnung auf ein besseres Leben ist, stellt I, TONYA (Craig Gillespie, 2017 USA) Sport nicht als ausgleichendes Werkzeug der Befreiung, sondern als Teil einer Gesellschaft dar, die nach wie vor entlang von Klassengrenzen geteilt ist. Talent und harte Arbeit reichen hier nicht aus, um Ungerechtigkeiten zu überwinden und den sozialen Aufstieg zu meistern. Der Film ist damit genauso tough wie seine Protagonistin. Und trotzdem: Irgendwie schafft er es, den schmalen Grad zwischen schwarzem Humor, Zynismus und Tragik zu wandern. Zentral ist, dass der Film Tonya Harding nicht in eine Opferrolle presst. Mit einem Blick auf ihre sozialen Umstände, ihren gewalttätigen Ehemann, die voreingenommenen Jurys und die üble Nachrede, die sich noch jahrelang durch die Presse zog, wäre es naheliegend gewesen, diesen Weg zu gehen. Der Film aber verleiht ihr Handlungsmacht, so begrenzt sie sein mag, zeigt sie als starke, wenn auch widersprüchliche Person. Harding erinnert damit an die Antihelden der Gangsterfilme von Martin Scorsese, auf die sich der Film auch visuell und im Zusammenspiel von Musik und Schnitt bezieht.

Allerdings beschönigt I, TONYA damit auch teilweise das Ausmaß des emotionalen, physischen und sexuellen Missbrauchs, dem Harding als Kind in ihrer Familie und als junge Frau durch ihren Ehemann ausgesetzt war. Der Film entscheidet sich dafür, seine Protagonistin als selbstbewusste Antiheldin darzustellen. Damit bewirkte er eine Art Rehabilitation von Tonya Harding im öffentlichen Bewusstsein und hat damit rückwirkend etwas ausgelöst, das schwerer wiegt als historische Exaktheit.

Wenn PRIDE und BILLY ELLIOT mit einer warmen Umarmung verglichen werden können, ist I, TONYA eine Mischung aus Schlag in die Magengrube und Lachen, das im Halse stecken bleibt. Als triple bill zusammen geschaut sorgen die Filme für eine Mischung aus Kritik bzw. Unzufriedenheit, Hoffnung und Solidarität, die auch als Voraussetzung für Veränderung gelten kann. – TR

Teil des Netflix-Abos, außerdem auf Amazon Prime, YouTube und Google Play streambar.

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