19. achtung berlin Filmfestival (12.-19. April)


Eröffnungsfilm VAMOS A LA PLAYA © hip film

Berlin, du bist so viele! Vom 12. bis 19. April zeigt das achtung berlin Filmfestival einmal mehr, was der Nachwuchs der Berliner Filme- und Serienmacher*innen sowie die Stadt an sich cineastisch auf dem Kasten haben. Die Berliner Produktionen tümmeln sich dabei in vier Wettbewerben: Abendfüllender Langfilm, Dokumentarfilm, Mittellanger Film sowie Kurzfilm. Es gibt mit LASVEGAS (Regie/Buch: Kolja Malik) und MONOLITH (Regie/Buch: Julius Schultheiß) im Spielfilm-Wettbewerb gleich zwei Weltpremieren zu entdecken, aber es finden sich auch Berlinale-Lieblinge wie GERANIEN oder SIEBEN WINTER IN TEHERAN unter den Beiträgen. Als Eröffnungsfilm wurde das Roadmovie VAMOS A LA PLAYA von Bettina Blümner (Buch: Bettina Blümner, Daniel Nocke). Der Film begleitet die Student*innen Benjamin, Katharina und Judith nach Kuba, wo sie sich auf die Suche nach ihrem Freund Wanja begeben, der dort nach einer vom Aussterben bedrohten Walart forscht, ausgewählt.

Laut den Presseverlautbarungen des Festivals gibt der Film damit bereits einen wichtigen roten Faden vor: Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind Themen, die auch beispielsweise im Dokumentarfilmwettbewerb stark präsent sind. Und auch die in Zusammenarbeit mit der DEFA-Stiftung stattfindende Retrospektive zeigt, wie der späte DEFA-Film Umweltzerstörung und Naturschutz aufgriff.

Neben den Wettbewerben bietet das Festival außerdem mit den Berlinale Spotlights eine Sektion für Berliner Filmproduktionen, „die sich in diesem Jahr intensiv mit universellen Themen im Spannungsfeld zwischen Stadt und Land, Autonomie und gesellschaftlicher Beschränkung, sowie Herkunft, Freundschaft und Selbstverwirklichung beschäftigen“. Auch in Sachen Serien zieht achtung berlin nach: In Berlin Series werden drei neue Serien präsentiert. Und wem eher der Sinn nach Genre oder TV steht, der ist beim „Berlin Spezial“ richtig aufgehoben, das sogar mit Günter Frankes POST EMPIRE ein Midnight Movie bereithält.

Vom 13.-17. April wird das Filmprogramm außerdem durch die Branchentage flankiert, die sich auf die Bereiche Diskurs und Filmproduktion konzentrieren und mit Partner*innen wie BFFS, 25p *cine support, das Filmnetzwerk Berlin, WIFT Germany, der BVC und dem Netzwerk der Cinematographinnen ausgerichtet werden.

Das 19. achtung berlin Filmfestival findet vom 12. bis 19. April in den Berliner Kinos Colosseum, Babylon, City Kino Wedding, ACUDkino, fsk Kino am Oranienplatz, Kino & Bar in der Königstadt, Lichtblick-Kino, Wolf Kino sowie in ausgewählten Kinos im Brandenburger Umland statt.

Marie Ketzscher

Folgende Filme können wir euch aus der BFF-Redaktion herzlich empfehlen:

GERANIEN

GERANIEN © Claudia Schroeder

Darum geht es:
Als ihre Oma Marie stirbt, kehrt die Schauspielerin und Mutter Nina (Friederike Becht), die sich für eine Rolle im TRAUMSCHIFF zu schade ist, allein aus Amsterdam in ihren Heimatort im Ruhrgebiet und damit in ihr Kinderzimmer in einer beschaulichen Bungalowsiedlung zurück. Da die Beerdigung sich immer weiter verschiebt, muss Nina länger bleiben als geplant. Schnell flammen alte Spannungen zwischen Nina und ihrer Mutter Konnie (Marion Ottschick) wieder auf.

Was du zum Film wissen musst:
Regisseurin und DFFB-Absolventin Tanja Egen, geboren in Dortmund, widmet sich in ihrem ersten Langfilm, der zugleich ihr Abschlussfilm ist und den sie in ihrem Heimatort Holzwickede drehte, Mutter-Tochter-Beziehungen. Es geht um mehrere Generationen von Frauen einer Familie, um sozialen Aufstieg – und um Herkunft. So lebt GERANIEN auch vom Lokalkolorit – ob Trinkhalle, feinstes Ruhrgebietsdeutsch oder ein letztes Video von „Omma“ beim Kegeln. – StB

Termine bei Achtung Berlin:
Donnerstag, 13. April, 18:00 Uhr, Babylon 2
Mittwoch, 19. April, 20:45 Uhr, fsk Kino

PIAFFE

PIAFFE © Salzgeber

Darum geht es:
Die introvertierte Eva (Simone Bucio) übernimmt die Position als Sounddesignerin für einen Werbeclip, nachdem ihre Schwester Zara (Simon(e) Jaikiriuma Paetau) in eine psychiatrische Klinik eingeliefert wurde. Im Tonstudio versucht sie, die Hufgeräusche eines Pferdes zu vertonen. Dabei schlüpft sie auch physisch in die Rolle des Hengstes und realisiert bald, dass ihr ein Schweif aus dem Steißbein wächst. Sie beginnt eine sadomasochistische Affäre mit einem Botaniker und begibt sich in die transgressive Zwischenwelt der Technoclubs, um ihren Körper zu erforschen.

Was du zum Film wissen musst:
Die Künstlerin und Filmemacherin Ann Oren hat an der School of Visual Arts in New York studiert und erforscht seit ihrem Abschluss die Symbiose von Kunst und bewegten Bildern. Ihr Langfilm PIAFFE feierte seine Premiere beim 75. Locarno Film Festival und wird bei achtung berlin im Wettbewerb Spielfilm gezeigt. In der analogen 16mm-Filmästhetik vermischen sich eindrucksvolle Drehorte, Referenzen an das europäische Arthouse-Kino im Stile von Peter Strickland oder Bertrand Mandico (THE WILD BOYS), Berghain-Fetische und botanische Kuriositäten. PIAFFE ist ein außergeöhnlich gestaltetes Spiel mit körperlichen Transformationen und Geschlechteridentitäten, das sich auf faszinierende Weise eindeutigen Erklärmustern verweigert. – HK

Termine bei achtung berlin:

Donnerstag, 13. April, 19:45 Uhr, Babylon 1
Freitag, 14. April, 20:30 Uhr, Lichtblick Kino
Sonntag, 16. April, 20:45 Uhr, fsk Kino

SPRICH MIT MIR

SPRICH MIT MIR © Antonia Lange/DFFB
SPRICH MIT MIR © Antonia Lange/DFFB

Darum geht es:
Nachdem ihr Freund Alex (Jonathan Berlin) unerwartet mit ihr Schluss gemacht hat, lässt sich die 28-jährige Karo (Alina Stiegler, DOGS OF BERLIN) widerwillig darauf ein, spontan mit ihrer Mutter Michaela (Barbara Philipp, SYSTEMSPRENGER, LARA), einer patenten 50-jährigen Friseurin aus Ost-Berlin, für eine Woche nach Rügen zu fahren. „Sieht ja aus wie die Platte, in der wir mal gewohnt haben“, kommentiert Michaela das Hotel mit DDR-Charme. Doch nicht nur ihre Unterkunft weckt in den folgenden Tagen Erinnerungen an Michaelas und Karos gemeinsame Vergangenheit. Im Ostseeinseldomizil lernen die beiden den frisch geschiedenen Jochen (Peter Lohmeyer) und dessen 16-jährige Tochter Marie (Pearl Graw) kennen, was alte Konflikte aufflammen und neue Missverständnisse entstehen lässt.

Was du zum Film wissen musst:
Feinfühlig und mit leisem Witz reflektiert die 1984 in Ost-Berlin geborene Janin Halisch (LUI, SKINNY LOVE) in SPRICH MIT MIR, ihrem Langfilmdebüt und Abschlussfilm an der DFFB, das von fehlender Kommunikation geprägte Verhältnis einer jungen Frau zu ihrer Mutter – und zu ihrem Vater. Jochen und dessen Teenie-Tochter dienen Karo als Spiegel einer Vater-Tochter-Beziehung, die sie sich selbst auch gewünscht hätte. Mit glaubwürdigen Dialogen, überzeugenden Darsteller*innen und dem herausragenden Zusammenspiel des Mutter-Tochter-Duos ist SPRICH MIT MIR, der bereits im Spielfilmwettbewerb des Filmfestivals Max Ophüls Preis 2023 zu sehen war und Alina Stiegler den Preis für den besten Schauspielnachwuchs bescherte, ein ruhig und wahrhaftig erzählter, berührender Film über zwei emanzipierte Frauen aus verschiedenen Generationen und die vielschichtige Bindung zwischen Eltern und ihren Kindern. – StB

Termine bei Achtung Berlin:
Samstag, 15. April, 17:45 Uhr, Babylon 1
Sonntag, 16. April, 22:30 Uhr, Babylon 2

SIEBEN WINTER IN TEHERAN

SIEBEN WINTER IN TEHERAN © Made in Germany

Darum geht es:
Reyhaneh Jabbari ist fröhlich, neugierig und hat große Pläne, will Innenausstatterin werden. Dann spricht sie ein älterer Mann an unter dem Vorwand, dass er seine Praxisräume neu gestalten möchte. Jabbari denkt, dass sei eine Chance – doch in der Praxis angekommen, versucht er, sie zu vergewaltigen. Sie ersticht ihn in Notwehr und wird angeklagt: Ihr wird nicht geglaubt, das Urteil lautet Todesstrafe. Sieben Winter sitzt sie ein und wartet auf die Vollstreckung, sieben Winter kämpft ihre Familie auch unter Augen einer breiten medialen Aufmerksamkeit im Ausland um ihre Freilassung. Doch es gilt das Gesetz der Blutrache: Nur wenn der Sohn des Opfers ihr vergibt, hat Reyhaneh eine Chance auf Begnadigung.

Was du zum Film wissen musst:
Steffi Niederzoll drehte ihren Dokumentarfilm mit Video-und Handyaufnahmen, die ihr aus dem Iran zugespielt wurden sowie intimen Interview-Szenen mit der Familie (die bis auf den Vater allesamt inzwischen nicht mehr im Iran leben). Das berüchtigte Evin-Gefängnis stellt sie mit einem Miniaturset nach. Sie rekonstruiert – und das wissen die Zuschauer*innen ja auch jede Minute des Sehens – das Schicksal einer durch das iranische Regime ermordeten jungen Frau, die von Anfang an nicht den Hauch einer Chance hatte – und die nichtsdestotrotz durch ihren Kampf und ihr Engagement für andere ein immer stärkerer und beeindruckender Mensch wird. Das Gleiche gilt für ihre Familie. Vielleicht wirkt das Brennglas der aktuellen „Women Life Freedom“-Bewegung noch einmal umso stärker, aber der Film würde mit seiner klaren, nüchternen und dennoch sehr empathischen Herangehensweise vermutlich immer beeindrucken, erschüttern, zutiefst bewegen. Eine unbedingte Empfehlung. – MK

Termine beim achtung berlin:
Sonntag, 16.04., 16:30 Uhr, Wolf Kino
Mittwoch, 19.4., 17:30 Uhr, Babylon 1

FEARKINGDOM

FEARKINGDOM © Kornél Szilágyi, Linn Löffler

Darum geht es:
Wo beginnt dieses Europa, wo endet es – und wer gehört eigentlich dazu? Kornél Szilágyi und Linn Löffler erkunden den paradoxen Umstand, dass 2015 in Ungarn – dort, wo 1990 der Eiserne Vorhang niedergerissen wurde – ein 175 km langer Grenzzaun zwischen Serbien und Ungarn entstand, um Flüchtlinge am Übertritt zu hindern. Und sie fragen die Anwohner*innen, was sie eigentlich davon halten.

Was du zum Film wissen musst:
Der analog gedrehter, experimenteller Dok-Kurzfilm FEARKINGDOM hat nicht den Anspruch, das Thema Abschottung vollumfänglich einzufangen, stattdessen konzentrieren sich Löffler und Szilágyi auf subjektive (Stimmungs)bilder und inszenieren auch einmal schöne tanzende Improvisationsszenen, die die Absurdität der Bebauung passend einzufangen. -MK

Termine beim achtung berlin:
Donnerstag, 13.04, 21:00 Uhr, City Kino Wedding
Freitag, 14.4., 18:00 Uhr, Babylon 2