Oscarverleihung 2025 – eine Prognose, Teil #2
Am Sonntag werden in Los Angeles zum 97. Mal die Oscars verliehen. Nachdem es in Teil #1 um die Kurzfilme, die Dokumentarfilme und die Animierten Spielfilme ging, widme ich mich diesmal den technischen Kategorien, also jenen Filmkünstlern, die im Hintergrund arbeiten und die Gestaltung des jeweiligen Films durch ihre Kunst tragen.
I. MakeUp & Hair Styling

Wird gewinnen: THE SUBSTANCE, in dem der in die Jahre gekommene TV-Star Elisabeth (Demi Moore) nach Einnahme der titelgebenden Droge aus ihrem Rücken ein jüngeres Ich namens Sue (Margaret Qualley) gebiert, das ihr fortan immer mehr Zeit stiehlt, wodurch Elisabeths Alterungsprozess rapide zunimmt. Klingt weird? Willkommen bei THE SUBSTANCE. Während das MakeUp-Team weite Strecken des Films damit beschäftigt ist, diesen nur bestimmte Regionen von Elisabeths Körper betreffenden Alterungsprozess glaubhaft zu gestalten, darf es sich im letzten Viertel des Film völlig entfesselt austoben. Die groteske Deformation von „Monstro Elisasue“ lässt selbst die wildesten Fantasiegeschöpfe des Splattergenres alt aussehen. Spektakulär und tragikomisch – THE SUBSTANCE ist dieser Oscar kaum noch zu nehmen. Eine Auszeichnung hier wäre auch ein starker Indikator für den Ausgang des Rennens um den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle. Die Korrelation von transformativer Performance und Maskenbild hat in den vergangenen Jahren immer wieder zu doppelten Oscargewinnen geführt, siehe THE IRON LADY (2011), LES MISÉRABLES (2012), DALLAS BUYERS CLUB (2013), DARKEST HOUR (2017), THE EYES OF TAMMY FAYE (2021), THE WHALE (2022) und POOR THINGS (2023). Diese Rechnung kann man natürlich auch für EMILIA PÉREZ und WICKED aufmachen.
Sollte gewinnen: Sollte THE SUBSTANCE wider Erwarten leer ausgehen, hätte die Academy mit NOSFERATU, in dem Bill Skarsgård hinter der Maske des seit Jahrhunderten verwesenden Körpers des Grafen Orlok verschwindet, und A DIFFERENT MAN, in dem Sebastian Stan in der ersten Hälfte des Films das glaubhafte Aussehen eines Mannes verpasst bekommt, der unter Neurofibromatose leidet, zwei exzellente und preiswürdige Arbeiten zur Auswahl.
Weiterlesen: Unsere Besprechung zu A DIFFERENT MAN…
Außerdem nominiert: EMILIA PEREZ, in dem Karla Sofía Gascón zu Beginn des Films in den grobschlächtigen, an vielen Körperstellen tätowierten Gangsterboss Manitas verwandelt wird, um später als elegante Emilia Pérez eine radikale Transformation vollzogen zu haben.
Viel MakeUP und Hairstyling gibt es auch im Musical WICKED, in dem eigentlich jede Figur einen besonderen Style bekommt. Vor allem aber die von Cynthia Erivo gespielte Hauptfigur Elphaba, die seit ihrer Geburt eine sie von allen anderen unterscheidende Hautfarbe besitz. Sie ist grün und dieses grün den verschiedenen Lichtverhältnissen immer wieder anzupassen, ohne das es aufgetragen wirkt, ist tatsächlich eine beeindruckende Leistung.
II. Visuelle Effekte:
Wird gewinnen: Dieser Oscar sollte einem keine Kopfschmerzen bereiten. DUNE: PART TWO war hier schon als Gewinner gesetzt, bevor er überhaupt in die Kinos kam. Die Arbeit des Teams um den Deutschen Gerd Nefzer ist nicht weniger beeindruckend als im oscargekrönten ersten Teil. Streng genommen geht PART TWO sogar noch ein Stück weiter. Allein der Ritt auf dem Sandwurm im Zentrum des Films würde eine Auszeichnung hier schon rechtfertigen, stellt aber nur einen Aspekt der wiederum spektakulären visuellen Gestaltung des DUNE-KOSMOS’ dar. Giedi Prime, Heimatplanet der Harkonnen oder das sein Umfeld spiegelnde Raumschiff des Imperators sind nicht minder atemberaubend. Auch wenn die anderen Nominierten allesamt starke Argumente für sich haben, stellen sie keine ernstzunehmende Konkurrenz für DUNE: PART TWO dar.
Sollte gewinnen: DUNE: PART TWO. Hands down.
Außerdem nominiert: ALIEN: ROMULUS, der zwischen den Ereignissen in ALIEN (1979) und ALIENS (1986) spielt und ein gänzlich neues Personal und neue Handlungsorte präsentiert. Der Film, der sich, wie ein amerikanischer Kritiker süffisant anmerkte, anfühlt wie ein „Greatest Hits Album deiner Lieblingsband, eingespielt von einer Cover Band“, stellt den vielleicht dreistesten Fall von Fan-Service dar, den das Kino in diesem Jahr gesehen hat. Bietet nichts Neues, spielt auf der alten Klaviatur, macht aber Riesenspaß. Die Effekte haben die von einem Film des ALIEN-Franchise erwartbare hohe Qualität, wenn man mal von der armseligen und völlig überflüssigen Wiederauferstehung des Ian Holm-Charakters absieht. Und das in der Schwerelosigkeit zirkulierende Alienblut (= Säure), durch das sich die Helden in einer Szene hindurchwinden müssen, bietet dann doch noch eine hübsche Abwechslung.
In BETTER MAN, dem Musical-Biopic über Robbie Williams, wird der Protagonist von einem CGI-Schimpansen gespielt, der – logisch – alle Stunts selber macht. Eine interessante Idee, die den ganzen Film trägt, wenn man sich darauf einlässt und nicht, wie der Autor, bei der Musik Williams’ Gefahr läuft, Ohrenkrebs zu bekommen.
Jede Menge CGI-Affen gibt es auch in KINGDOM OF THE PLANET OF THE APES, der als inzwischen vierter Teil des PLANET OF THE APES-Franchise in dieser Kategorie nominiert ist. Trotz hoher Qualität hat keiner dieser Filme bislang gewonnen und auch wenn die Technik seit dem letzten Beitrag, WAR OF THE PLANET OF THE APES (2017) – RISE…(2011) und DAWN…(2014) sind die anderen – nochmal zugelegt hat, wird es auch diesmal nicht reichen. Sollte DUNE: PART TWO wider Erwarten leer ausgehen, wäre KINGDOM.. aber mein Favorit in dieser Kategorie.
Die Nominierung für die visuellen Effekte in WICKED kommt dagegen etwas überraschend, da das Team erst in den letzten zwanzig Minuten des 3-Stunden-Films über sich hinaus wächst, wenn Elphaba schließlich zur „Wicked Witch of the West“ wird und mit einem Besen um das Schloß des Wizards of Oz braust und aus vollen Lungen den Signature-Song des Musical, „Defying Gravity“, schmettert. Was daran genau preiswürdig sein soll, hat sich mir allerdings nicht erschlossen.
III. Ton
Wird gewinnen: Im Unterschied zum ersten Teil, der vor drei Jahren mit sechs Oscar ausgezeichnet wurde, wird sich DUNE: PART TWO mit weniger zufrieden geben müssen. Neben den visuellen Effekten und eventuell der Kameraarbeit, gehört Sound zu seinen besten Chancen. Auch hier steht das Niveau der Arbeit, das sich auch in der akustischen Gestaltung auszeichnende World Building, weit über dem der Mitbewerber. DUNE: PART TWO klingt tatsächlich nach einer außerweltlichen Erfahrung und ist unbedingt preiswürdig.
Sollte gewinnen: DUNE: PART TWO

Außerdem nominiert: Drei Musikfilme und ein Animationsabenteuer.
Der Bob Dylan-Biografie A COMPLETE UNKNOWN würde ich noch die besten Chancen für einen Überraschungserfolg in dieser Kategorie einräumen. Die Academy liebt Musik- und Konzertfilme, da sie immer auch eine besondere Herausforderung für das Sound Mixing darstellen. Und in dieser Beziehung ist A COMPLETE UNKNOWN tatsächlich über jeden Verdacht erhaben. Was auch immer man von dem Film halten mag – die Tonebene ist perfekt.
Weiterlesen: Unsere Kritik THE TIMES THEY ARE A-CHANGIN‘ zu A COMPLETE UNKNOWN findet ihr hier…
Das gilt im Großen und Ganzen auch für die Musicals EMILIA PÉREZ und WICKED, auch wenn es bei beiden Schwankungen in der Qualität gibt. Beide dürften sich aber gegenseitig genug Stimmen abnehmen, um hier als Gewinner hervor zu gehen.
Erfreulich ist die Nominierung für THE WILD ROBOT, da animierte Spielfilm zuletzt Probleme hatten, in anderen Kategorien nominiert zu werden. Das Soundwork, eine Mischung aus Naturgeräuschen, Tierstimmen und technischen Klängen, überzeugt auf ganzer Linie und wäre in jedem anderen Jahrgang ein preisverdächtiger Kandidat. Gewinnen können diese vier Kandidaten aber nur, wenn die Academy entscheidet, das DUNE- Universum mit dem letzten Film schon genug gewürdigt zu haben.
IV. Music

a) Original Song
Wird gewinnen: „El Mal“ aus dem Musical EMILIA PÉREZ, in dem die von Zoe Saldaña gespielte Rita das korrupte mexikanische Establishment aufs Korn nimmt. Der Song ist für sich genommen gar nicht so bemerkenswert und verfügt über einer eher konfusen Aufbau. Im Kontext des Films ist „El Mal“ aber der absolute Standout-Track und der große musikalische Auftritt Saldañas. Sollte sie, wie zu erwarten, den Oscar als beste Nebendarstellerin gewinnen, würde ein Oscar für diesen Song perfekt korrespondieren. Neben Clement Ducol und Camille, die für den gesamten Soundtrack des Films verantwortlich zeichnen, steuerte auch Regisseur Jaques Audiard einige Lyrics zu „El Mal“ bei und würde ebenfalls einen Oscar gewinnen.
Weiterlesen: Unsere Filmkritik Todo o nada zu EMILIA PÉREZ findet ihr hier...

Sollte gewinnen: „Like A Bird“ aus dem Knastdrama SING SING. Der Song untermalt den emotionalen Epilog des Films.
Oder der Oscar geht endlich, nach 15 erfolglosen Anläufen, an Diane Warren für „The Journey“ aus dem Kriegsfilm THE SIX TRIPLE EIGHT, der die zweifelhafte Ehre genießt, der schlechteste in diesem Jahr für den Oscar nominierte Film zu sein. „The Journey“ ist eine diese typischen Power Balladen aus der Feder Warrens, die eigentlich schon vor 20 Jahren aus der Mode kamen, bei der Academy aber offensichtlich immer noch genügend Fans haben, um Warren jahrein, jahraus eine Oscarnominierung zu sichern. Angesichts der insgesamt eher schwachen Shortlist in dieser Kategorie, könnte nun Warrens große Stunde gekommen sein.
Außerdem nominiert: „Mi Camino“, der große Showstopper für die von Selena Gomez gespielte Jessi in EMILIA PÉREZ. Interessanterweise funktioniert „Mi Camino“ als catchy Popsong besser, hat im Film aber nicht so einen prominenten Auftritt wie „El Mal“.
Elton John könnte nach „Can You Feel The Love Tonight“ (THE LION KING, 1994) und „(I’m Gonna) Love Me Again“ (ROCKETMAN, 2019) einen dritten Oscar gewinnen. Er ist für „Never Tor Late“ aus dem biografischen Dokumentarfilm ELTON JOHN: NEVER TOO LATE erneut nominiert. Leider gehört das Stück nicht zu Johns stärksten Momenten. Sollte sich der Frust und die Ablehnung EMILIA PÉREZ’ aber auch auf diese Kategorie auswirken, könnte Sir Elton abermals triumphieren.
b) Original Score

Wird gewinnen: THE BRUTALIST, für den Daniel Blumberg eine faszinierende, zwischen moderner Klassik und Jazz chargierende Musik geschrieben hat, die sich im Epilog sogar einen Ausflug in den Italo-Pop der 1980er Jahre erlaubt. Obwohl THE BRUTALIST erst Blumbergs zweite Filmmusik ist, erstrahlt sie unter allen hier nominierten Scores als die dynamischste, opulenteste und zugleich experimentellste. Die meisten Precursor gingen IN DIESEM JAHR an Trent Reznor und Atticus Ross aka. Nine Inch Nails für CHALLENGERS, der es aber nicht auf die Oscar-Shortlist geschafft hat. THE BRUTALIST gewann immerhin den BAFTA und ist damit der klare Frontrunner in dieser Kategorie.
Weiterlesen: Hier unser Kritik ONE FOR YOU ONE FOR ME zu THE BRUTALIST findet ihr hier…
Sollte gewinnen: THE BRUTALIST. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass die Academy sich aber für einen anderen Score entscheidet, könnte erneut Volker „Hauschka“ Bertelmann triumphieren, der vor zwei Jahren für seine Drei-Ton-Musik zu IM WESTEN NICHTS NEUES den Oscar gewann und nun für CONCLAVE erneut eine Musik geschrieben hat, die sich auf ein Kernthema reduzieren lässt, dieses aber immer wieder opulent variiert.
Ebenfalls als starker Kandidat darf Kris Bowers Score für THE WILD ROBOT gelten, der lange als Top Kandidat für diesen Oscar gehandelt wurde. Er war für alle wichtigen Preise im Vorfeld nominiert, konnte aber keine Precursor gewinnen. Kris Bowers selbst hat erst im vergangenen Jahr einen Oscar gewonnen, allerdings für die beste Kurz-Doku THE LAST REPAIR SHOP.
Außerdem nominiert: EMILIA PÉREZ von Clement Ducol und Camille, die dafür auch in Cannes ausgezeichnet wurden. Ihre Musik hat durchaus ihre Momente, ist bisweilen aber auch etwas diffus. Ein Oscar in dieser Kategorien ist sehr unwahrscheinlich.
Die Nominierung für die Musik zu WICKED hat für einige Verwunderung gesorgt, da man sie nur mit viel Fantasie einen Original-Score nennen kann. John Powell und Stephen Schwartz orientieren sich im Wesentlichen an dem sehr populären Broadway Musical, haben aber offensichtlich genügend neue Elemente hinzu gefügt, die ihren Platz hier rechtfertigen. Dennoch wurden die eigentlich sehr strengen Regeln für WICKED entgegenkommender ausgelegt als für Hans Zimmer, dessen Score für DUNE: PART TWO disqualifiziert wurde, weil er sich zu wenig vom ersten Film unterschied.
V. Ausstattung

Wird gewinnen: WICKED, weil die außerordentlich erfolgreich Broadway Verfilmung ja nicht leer ausgehen soll. Das Production Design ist ohne Frage opulent und detailreich, erinnert mich aber auch an Attraktionen in Themenparks, wobei die Künstlichkeit und das Bühnenhafte für ein Fantasy-Musical ja durchaus passend sind. WICKED gewann den BAFTA, den CCA und wurde von der Art Directors Guild (im Segment Fantasy) und der Set Decorators Society of America ausgezeichnet.
Weiterlesen: Die Besprechung Succumb To The Darkness zu NOSFERATU…
Sollte gewinnen: NOSFERATU, weil das Team um Craig Lathrop längst überfällig ist. In nun schon vier Filmen von Robert Eggers hat Lathrop seine Expertise in detailreicher Rekonstruktion historischer Ambiente bewiesen. Nach THE WITCH (2015), THE LIGHTHOUSE (2019) und THE NORTHMAN (2022) ist er erstmals nominiert. Ganze Straßenzüge und Bürgerhäuser im Biedermeier-Stil, unheimliche rumänische Wälder, ein Sinti & Roma-Dorf in Transsilvanien und die halb verfallene Burg des Grafen Orlok gehören zu den wundervollen Sets, die Lathrop für NOSFERATU bauen ließ und an denen sich das Publikum kaum satt sehen kann. Von der Art Directors Guild gab es dafür immerhin einen Preis in der Sparte Period Film.
Außerdem nominiert: THE BRUTALIST, der als Film über einen Architekten eigentlich für diesen Oscar gesetzt sein sollte. Die Sets von Judy Becker sind rar, werden aber äußerst effizient und opulent in Szene gesetzt.
Auch CONCLAVE sollte man hier noch nicht abschreiben. Suzie Davies ließ für den Vatikan-Thriller immerhin in den legendären Cinecitta-Studios bei Rom die komplette Sixtinische Kapelle inkl. der Fresken Michelangelos nachbauen. Das war auch nötig, da man den Anschlag, der auf das ehrwürdige Gebäude im Film verübt wird natürlich nicht am Original Drehort inszenieren konnte.
DUNE: PART TWO schließlich überzeugt wie schon der erste Teil mit gewaltigen Sets, die jeden Fan brutalistischer Architektur begeistern dürften. Dafür gab es vor drei Jahren schon einen Oscar.
VI. Kostüme
Wird gewinnen: WICKED, weil die Oscars für Kostüme und Ausstattung in der Regel korrespondieren. Man muss, wie ich, kein ausgewiesener Fan der Arbeit Paul Tazewells sein, um die gewaltige Bandbreite der in WICKED aufgefahrenen Kostüme anzuerkennen. Das ist am Ende auch eine Frage des Geschmacks. Tazewells Kostüme sind unter den hier nominierten gewiss die farbenfrohesten und am meisten variablen. Auf den BAFTA, den CCA und die Auszeichnung der Costume Designers Guild folgt relativ sicher der Oscar.
Sollte gewinnen: Erneut NOSFERATU. Von den steifen Gehröcken und Vatermörderkragen sowie den voluminösen geblümten Kleidern des Biedermeier über die robuste Balkanmode bis zu Graf Orloks Aristokratenmantel mit Pelzkragen – Linda Muirs Beitrag hat einen wesentlichen Anteil am immersiven Erlebnis in Robert Eggers Vampirhorror. Auch NOSFERATU wurde von der Costume Designers Guild im Segment Period Film gewürdigt.
Außerdem nominiert: A COMPLETE UNKNOWN, für den Arianne Phillips die Mode der frühen 1960er Jahre wieder auferstehen lässt, von eleganten Anzügen und Kleidern bis zu Bob Dylans Jeansoutfit.
CONCLAVE, für den Lisy Christl vor allem jede Menge Kardinalsornat zusammenstellen musste.
Und GLADIATOR II, für den Janty Yates und Dave Grossman Legionen von Sandalen, Togas, Rüstungen, Helme, Harnische und Tunikas schufen. Yates ist zum dritten Mal nominiert. Vor 24 Jahren gewann sie ihren bislang einzigen Oscar, für GLADIATOR.
VII. Kamera
Wird gewinnen: Lol Crawley, der THE BRUTALIST in Braun- und Grüntöne taucht und dafür das klassische VistaVision-Format nutzt. Crawley musste, wie das gesamte Team, mit begrenzten finanziellen Spielräumen umgehen. Das Ergebnis ist schlicht verblüffend. Der Film hat den Look eines großen, klassischen Hollywood-Epos. Einige der Kompositionen Crawleys, wie die scheinbar auf dem Kopf stehende Freiheitsstatue, die sonnendurchflutete Bibliothek Van Burens, der aus der Ferne gefilmte, entgleisende Zug, die strahlend weißen Mamorhalden von Carrara oder schlicht ein über eine Landstraße rollender Bus, brennen sich dem Publikum als unvergessliche Momente ins Gedächtnis ein. Dafür gab es u.a. einen BAFTA.
Sollte gewinnen: NOSFERATU, again. Jarin Blaschke, der bei allen Robert Eggers-Filmen die Cinematography übernahm und somit einen wesentlichen Anteil an der visuellen Brillanz von Eggers’ Filmen hat, konnte die bislang einzige Oscarnominierung für einen Eggers-Film einfahren. 2019 war er für THE LIGHTHOUSE nominiert. Für die (alb)traumhaft schönen Bilder von NOSFERATU verzichtete er gänzlich auf den Einsatz einer Steadycam. In Tableaus, die zeitgenössischen Gemälden entsprungen scheinen, erzählt Blaschke diese düstere Geschichte über Verlangen, Sehnsucht, Unterwerfung und Tod. Seine Schlusseinstellung ist die wohl schönste des gesamten Kinojahrgangs.
Außerdem nominiert: Greig Fraser, der für DUNE: PART TWO erneut weite Sanddünen, karge Felsen und schroffe Paläste in übernatürliches Licht taucht. Die Szenen auf Giedi Prime aber, dem unter einer schwarzen Sonne leidenden Heimatplaneten der Harkonnens, hat Fraser mit Wärmebildkameras gedreht und ihnen so einen außergewöhnlich surrealen Schwarzweiß-Look verpasst. Spektakulär, was sonst.
EMILIA PÉREZ, den Paul Guilhaume in sehr dynamischen Bildern erzählt. Nicht jeder Aspekt von Guilhaumes Arbeit hat mich überzeugt. Warum er zum Beispiel in einigen Tanzszenen vergißt, die rhythmische Beinarbeit der Tänzer zu zeigen, erschließt sich mir nicht. Eine künstlerische Entscheidung, die eine Oscarnominierung nicht zwangsläufig erscheinen lässt.
Ed Lachman wiederum, der, wie im Vorjahr mit EL CONDE, die einzige Nominierung für einen Film von Pablo Larraín bekam, ist unbedingt preiswürdig. Das Maria Callas-Biopic MARIA wurde lange Zeit auch als starkes Oscarvehikel für Hauptdarstellerin Angelina Jolie gehandelt. Nun ist es bei einer Nominierung für Lachmans ätherische Bilder geblieben. MARIA ist ein wunderschöner Film. Auf seinen ersten Oscar wird Lachman aber noch warten müssen.
VIII. Filmschnitt

Kommen wir nun zu einem Academy Award, der in diesem Jahr zu den stärksten Indikatoren für die Prognose, welcher Film am Ende den Hauptpreis gewinnt, gehört. Film Editing gehört für einen Best Picture-Gewinner zu den (fast) unverzichtbaren Elementen im Nominierungsportfolio. Ohne wenigstens hier nominiert zu sein, ist es fast unmöglich, als Bester Film ausgezeichnet zu werden.
Der letzte Film, der ohne Schnittnominierung gewann, war CODA (2021). Allerdings waren die Umstände, die zu CODAs Sieg führten einzigartig und hatten viel mit der Ablehnung des schon als sicheren Gewinners gehandelten THE POWER OF THE DOG zu tun, den viele, vor allem ältere Academy Mitglieder, als „schwulen Western“ nicht mit dem Hauptpreis auszeichnen wollten. Der letzte Best Picture-Gewinner ohne Editing-Nominierung davor war BIRDMAN OR (THE UNEXPECTED VIRTUE OF IGNORANCE) (2014), der sich dadurch auszeichnete, quasi aus einer einzigen zweistündigen Plansequenz ohne erkennbaren Schnitt zu bestehen. In diesem Jahr wird der Gewinner dieses Oscars mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den Toppreis mit nach Hause nehmen, es sei denn … wir werden sehen.
Weiterlesen: Unsere Besprechung A Game Of Throne zu KONKLAVE…
Wird gewinnen: Da der wichtigste Precursor für diese Kategorie, der Preis der American Cinema Editors, in diesem Jahr erst nach den Academy Awards vergeben wird, ist der einzige verlässliche Hinweisgeber der Preis der British Film Academy, deren Mitglieder oft auch Mitglieder der Oscar-Jury sind. Der BAFTA ging an Nick Emerson für CONCLAVE, der bei den BAFTAS auch als Bester Film ausgezeichnet wurde. Edward Bergers Vatikan-Thriller galt schon länger als stärkster Kandidat für diesen Preis. Der Film ist präzise auf den Punkt geschnitten, steigert sich ständig und hält das Spannungsniveau permanent hoch. CONCLAVE ist ein Musterbeispiel für eine effizient editierten Film. Für CONCLAVE ist ein Sieg in dieser Kategorie essentiell, um auch den Hauptpreis zu holen, da er neben Editing eigentlich nur noch (!SPOILER ALERT!) In der Kategorie Drehbuch Chancen auf einen Preis hat. Die Oscarkombination Film-Drehbuch-Schnitt ist eine, die zuletzt schon für CRASH (2005) und ARGO (2012) funktioniert hat. Sollte CONCLAVE hier leer ausgehen, heißt der wahrscheinliche Gewinner am Ende …
Weiterlesen: Unsere Kritik zu ANORA findet ihr hier.

Sollte gewinnen: … ANORA, für den ein Sieg hier wichtig, aber nicht ganz so entscheidend, wie für CONCLAVE ist. ANORA könnte auch über eine andere Kombination den Hauptpreis holen. Sollte Sean Baker, der als siebenter Regisseur auch für den Schnitt seines Films nominiert ist (James Cameron gewann 1997 für TITANIC, Alfonso Cuaron 2013 für GRAVITY), hier aber gewinnen, führt allerdings kaum noch ein Weg an ANORA als Bester Film vorbei. Für ANORA spricht das unterschiedliche Tempo, das er den drei Akten seines Films gibt und seine Geschichte so auf ein äußerst emotionales Finale zusteuern lässt. Es gibt allerdings auch berechtige Kritik an einem gewissen Hang zur Redundanz im zweiten Akt. Nichtsdestotrotz ist ANORA ein exzellent kompilierter Film und wäre ebenfalls ein würdiger Gewinner in dieser Kategorie.
Das gilt aber auch für David Janscos Arbeit an THE BRUTALIST. Einen Dreieinhalbstunden Film im ständigen Flow zu halten, keine Längen zuzulassen und keine Sekunde zu langweilen – das ist definitiv preiswürdig. Und, wer weiß, sollte sich THE BRUTALIST hier durchsetzen, lässt das natürlich auch seine zuletzt im Sinkflug befindlichen Aktien auf eine Sieg in der Hauptkategorie wieder steigen.
Außerdem nominiert: Juliette Wegfing für den bisweilen diffusen Schnitt von EMILIA PÉREZ und Myron Kerstein, der WICKED bei drei Stunden Länge ebenfalls flott zusammengefügt hat und seine Skills bei der Kompilation von berauschenden Musicalsequenzen zuletzt schon bei IN THE HEIGHTS und TICK, TICK… BOOM (beide 2021) unter Beweis gestellt hat.
Thomas Heil schaut seit 1992 die Oscars – und stellt jedes Jahr seine Favoriten zusammen. Seine Lieblingsfilme haben es oft nicht auf die Liste geschafft, aber darum geht es ja auch nicht, denn Film ist Kunst und kein Wettbewerb, wie man auch über Sinn und Unsinn solcher Preisverleihungen streiten kann. Nur soviel: man sollte sie gewiss nicht zu ernst nehmen.
In Teil 3 wird es um die Awards für die Haupt- und Nebendarsteller und den besten Internationalen Film gehen.